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Früher Tragik, heute Farce

Die deutsch-amerikanische Beziehungskrise lässt auch das DAF-Revival fürchterlich alt aussehen

von HARALD FRICKE

Der 18. Januar war kein guter Tag für die deutsch-amerikanische Freundschaft – und für die Deutsch-Amerikanische Freundschaft, kurz: DAF, vermutlich auch nicht. In Oldenburg machte sich Gerhard Schröder zum Lotsen der Republik, als er erklärte, dass „wir uns nicht an einer militärischen Intervention im Irak beteiligen werden“, während einige tausend Aktivisten auf den Straßen von Tübingen und Rostock gegen den Krieg demonstrierten. Zur gleichen Zeit standen die DAF-Aktivisten Gabi Delgado-Lopez und Robert Görl im Studio herum, guckten kinderschreckmäßig in eine Kamera und verbrannten USA- und BRD-Flaggen. Selbst Peter Struck wusste da allerdings schon, dass es im Augenblick „schwierig“ sei zwischen beiden Ländern. Aber Struck wusste auch, dass den Amis die ablehnende Haltung in der Irakfrage lieber wäre, „als wenn wir rumeiern würden“.

An dermaßen klaren Fronten ist künstlerische Aufrechterhaltung von Differenz verschenkt. Schlimmer noch: Wenn alle Welt ihr Nichteinverstandensein bereits auf Peace-Fahnen geschrieben hat, ist es schlecht für die Attitude, dem Konsens hinterherzuhinken. Grausam sind die Gesetze von Pop und Dissidenz: Wenn niemand die reale deutsch-amerikanische Freundschaft braucht – wer braucht dann das Kunstprodukt namens Deutsch-Amerikanische Freundschaft mit darken Botschaften zur Lage der zwei Nationen?

Nicht einmal die letzte Woche veröffentlichte Provo-Techno-Single „Der Sheriff“, die auf der aktuellen CD als „antiamerikanisches Lied“ gepriesen wird, schafft noch Schwierigkeiten. Stattdessen müssen sich die ehemaligen Düsseldorfer Elektronik-Recken mit TV-Mimen wie Peter Lohmeyer und Ulrich Tukur um das knallhärteste Bedenkenträger-Statement balgen. Heißt es bei DAF im Text: „wenn der sheriff reiten geht, reiten alle mit“, dann wird bei Lohmeyer/Tukur auf „Bagdad Blues“ noch weiter an der Schraube gedreht: „Ja, der weiße Mann aus Texas / dreht den Teufel heut am Spieß / Und alle, die ein anderes Lied singen, / grillt der Mann im Fegefeuer mit“. Oha, das sitzt und tut Bush bestimmt weh beim Beten.

Früher die Tragödie, heute die Farce, so verhält es sich überhaupt mit dem Revival von Punk und NDW. Da geistert eine Band wir Fehlfarben müde durch das kollektive 80er-Jahre-Gedächtnis, da wird Nena zur deutschen Antwort auf Madonna remixt: Das ist eine triste Angelegenheit, die sich nicht von den sonstigen Ochsentouren deutscher Alt-Schlagerstars unterscheidet.

Jetzt gehören eben auch DAF mit ihrer Reunion nach knapp 15 Jahren zum Club. Zwar ist die Sexyness in der Stimme von Delgado-Lopez immer noch zu hören, und der verknappte Befehlston, mit dem er „zieh den rock hoch“ singt, geht ohne Umschweife in die Beine. Das gilt aber auch für andere Bekentnisse: Beim Satz „ich bin tot, das ist gut“ weiß man, das stimmt wohl. Wer tanzen will, tanzt einfach mit. Der Rest geht demonstrieren.

Deutsch-Amerikanische Freundschaft: 15 neue DAF-Lieder (Universal)

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