: Ein Paradies für Tier-Voyeure
Auf der GartenReiseFreizeit-Messe gibt es Haustiere zu gucken wie früher im Kaufhaus. Der Unterschied: Es gibt keine Verkäufer, sondern nur ausgesprochen freundliche Haustierzüchter
taz ■ Tiere gucken, ohne dass ein schmieriger Zoofachhändler hinter einem herwieselt, der genervt mit einem Hundeknochen in die Händflächen klopft und im Takt zwischen den Zähnen herauspresst: „Wer-hier-kein-Tier-kau-fen-will-soll-sich-ver-piss-en“.
Früher gab es solche speziellen Freuden noch bei Karstadt, als Großkaufhaus zu anonym und wuselig, als dass eine Achtjährige weiter aufgefallen wäre, die sich drei Stunden vor dem Glaskasten mit den Hundewelpen herumdrückt. Vorbei, vergessen. Doch halt! An vier Tagen im Jahr kehren diese goldenen Zeiten für Heimtier-Voyeure in Bremen zurück. GartenReisenFreizeit heißt das messegewordene Paradies in der Halle 4 des Messezentrums.
Noch bis Sonntag gibt es dort alles, was das Tierfreund-Herz begehrt: Lämmer, Zicklein, Frettchen, Ratten, Miniponys, Meerschweinchen, Piepmätze, Leguane, Kaninchen, Katzen und Hunde – und das alles für nur 6,50 Euro, Kinder zwischen 7 und 14 zahlen 4 Euro und die ganz Kleinen gar nichts. Bis auf die Hunde sind die meisten Tiere in Käfigen oder hinter Glas ausgestellt, aber ein riesenhaftes Kaninchen lässt sich streicheln, und von Zeit zu Zeit werden die Ratten aus ihren kleinen Plastikboxen gelassen.
Das beste aber sind die Menschen, die mit den verhassten Zoofachhändlern nichts gemeinsam haben, sondern geduldig jede noch so blöde Frage beantworten. „Ähm, so ein Chihuahua ist ja sehr klein und der Kopf ist ja auch nicht größer als eine Orange und deshalb ist das Gehirn wahrscheinlich ... also ...“ – „Sie meinen, ob der dumm ist?“ Genau. „Nein, das ist ein ganz normaler Hund, jedenfalls wenn man ihn so behandelt und nicht wie ein Kuscheltier“, sagt Maria Stinnertz (67), Chihuahua-Besitzerin seit 1979 und ignorante Sprüche gewohnt. „Ich sag dann halt, das ist mein Kampfhamster.“
Der Kampfhamster ist elf, heißt Lord Silver el Bondat und wird nicht in einer Sänfte von Mutti herumgetragen, sondern muss selbst laufen. Seine Besitzerin nimmt ihn auch nicht auf den Arm, wenn sich ein Bernhardiner nähert, sondern hofft, dass Lord Silver nicht mit einem verspielten Prankenhieb das Rückgrat gebrochen wird. „Toi toi toi“, sagt Maria Stinnertz, „bisher ist alles gut gegangen“.
Auch in der Halle sind die winzigen Kläffer in Sicherheit, denn die fast doppelt so großen Norwegischen Waldkatzen sind hinter Schloss und Riegel. „Tetokepey“ heißen die Miezen von Katzenzüchter Dieter Hoss (65) mit Nachnamen und sie sind nicht nur hübsch und aufgeweckt, sondern mit einer interessanten Eigenschaft ausgestattet, die Dieter Hoss – einer der wenigen Männer in der Katzenzüchterbranche – in den Saal hineinbollert: „Die gehen ja nicht auf Klo, wenn ich sie ausstelle, den ganzen Tag nicht, obwohl sie fressen und saufen wie sonstwas.“ „Ja, die halten Urin und Kot zurück“, präzisiert es eine der etwas verhuschten Züchterkolleginnen, die um Hoss Stand herumstehen und ab und zu auch mal etwas sagen dürfen.
Wer sich für gefährliche oder zumindest gefährlich aussehende Tiere interessiert, ist bei Werner Lammers (37) in besten Händen. „Ja, so für Anfänger würde ich so eine Kornnatter empfehlen“, sagt der 3. Vorsitzende der Aquarien- und Terrarienfreunde Emsland. Einen Namen haben seine zehn Schlangen nicht. Das sei unter Terrarienliebhabern nicht üblich, sagt Lammers. Überhaupt ist Sentimentalität nicht die Eigenschaft, die Schlangenbesitzer auszeichnen sollte. Lammers Boa Constrictor verschlingt eine Ratte pro Woche, mehr braucht sie noch nicht: „Die ist noch ein Baby.“ Lammers fand es nie problematisch, seinen Tieren lebende Mäuse zum Fraß vorzuwerfen. „Ich komme vom Lande, da gehörte Hausschlachtung dazu.“ Eiken Bruhn
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