: Chromverseuchtes Wasser statt Guinness-Bier
In Irland verseucht eine Sägemühle massiv das Trinkwasser. Sanktionen muss das Unternehmen aber nicht fürchten
DUBLIN taz ■ Der irische Gesundheitsminister Micheál Martin will das Rauchen in sämtlichen Pubs und Restaurants ab Januar verbieten lassen. Der passive Nikotinkunsum sei zu gefährlich für die Nichtraucher, argumentiert er. Möglicherweise droht ihnen jedoch eine ganz andere Gefahr: Im Aghancon-Tal in der Grafschaft Offaly hat ein Sägewerk zwölf Trinkwasserbrunnen sowie die umliegenden Felder mit Chrom VI verseucht – und das ist in hohem Maße krebserregend. Auf einigen dieser Felder wurde zumindest in der Vergangenheit Gerste für die Bierbrauerei angebaut.
Die Guinness-Brauerei, die das irische Nationalgetränk herstellt, teilte auf Anfrage der taz hingegen mit, dass Malzgerste im Aghancon-Tal noch nie angebaut wurde, weil das Land wegen des Fuarawn-Flusses, der in den Shannon mündet, viel zu feucht sei. Merkwürdig. Vor einigen Jahren erhielt ein Bauer für die hervorragende Qualität seiner Gerste eine Auszeichnung von Guinness. Sein Feld erstreckte sich vom Sägewerk bis zum Fuarawn.
Arbeitsplätze sind rar im Aghancon-Tal. Um die wenigen Industriejobs zu erhalten, muss die Umwelt schon mal zurücktreten. Die irische Umweltschutzbehörde hat den Anwohnern nun geraten, das Trinkwasser aus den zwölf verseuchten Brunnen höchstens noch zur Toilettenspülung zu verwenden. Für die Anwohner ist das keine große Überraschung. Die Aghancon-Bürgerinitiative weist seit Jahren darauf hin, dass das Chrom, das die Sägemühle T & J Standish als Holzschutzmittel verwendet, bisweilen in die Umwelt gerät. Und auch die Umweltschutzbehörde hat das Unternehmen im Oktober 2000 und im Januar 2002 wegen Verstoßes gegen die Umweltbestimmungen verwarnt. Unter anderem wurden die Zaunpfähle von Lastwagen verladen, obwohl das Chrom noch nicht getrocknet war, so dass es vom Lkw tropfte.
Standish ist das größte Sägewerk Irlands, es beschäftigt 30 Leute. In dem Unternehmen werden vor allem Latten für Holzzäune hergestellt, die landesweit ausgeliefert werden. Ein Sprecher der Bürgerinitiative, der lieber ungenannt bleiben möchte, weil die Sägewerksbesitzer mitunter handgreiflich werden, sagte: „35 Tonnen Chrom VI wurden voriges Jahr von Standish verbraucht. Die Arbeiter tragen keine Schutzkleidung, obwohl der Chromnebel hochgefährlich ist. Symptome treten aber erst nach 10 bis 15 Jahren auf.“
Eine Messung im vergangenen Jahr hat ergeben, dass ein Brunnen Konzentrationen von 230 Milligramm Chrom VI pro Liter enthielt. Die zulässige Höchstgrenze liegt in Irland bei 50 Milligramm, in vielen anderen Ländern bei 30 Milligramm, in den USA soll sie nächstes Jahr auf 0,25 Milligramm gesenkt werden. Standish hat seit 1999 keinen Umweltbericht mehr abgeliefert, wie es eigentlich vorgeschrieben ist. Das Land in unmittelbarer Nachbarschaft der Sägemühle gehört dem Staatssekretär im Finanzministerium, Tom Parlon. Seine Mutter lebt dort, sein Bruder Joe betreibt einen Bauernhof nebenan.
Er sei durch die Messergebnisse sehr beunruhigt, sagte Tom Parlon jetzt. Im Januar klang das noch ganz anders, obwohl damalige Messergebnisse bereits deutlich auf die Verseuchung mit Chrom VI hinwiesen. Doch Parlon ließ der Irish Times durch seinen Pressesprecher damals mitteilen: „Der Minister ist nicht besorgt, dass sein Land durch die Aktivitäten der Standish-Sägemühle verschmutzt werden könnte.“ Standish sei ein „bedeutender Arbeitgeber, der in den vergangenen Jahren viel in sein Unternehmen investiert hat und nun rund um die Uhr operiert“.
Chrom VI ist durch den Film „Erin Brockovich“ mit Julia Roberts berühmt geworden. Es ist schwer abbaubar und bleibt Jahrhunderte im Boden und im Flussbett. Erstaunlicherweise hat Standish gar keine Baugenehmigung. Für den Gemeinderat von Offaly existiert das Unternehmen gar nicht. Die Planungsbehörde erklärte, Standish habe eine rückwirkende Baugenehmigung beantragt. Parlon setzt sich dafür ein, dass die Sägemühle nachträglich die Betriebsgenehmigung erhält. Im vorigen Juni ließ er sich mit dem Besitzer Tom Standish bei der Eröffnung eines neuen Anbaus fotografieren. Auch dieser Anbau ist ohne Baugenehmigung errichtet worden.
Sein Bruder Joe Parlon sagte, seit dem Trinkwasseralarm durch die Umweltschutzbehörde gehe in der Gegend die Angst um. Er wies darauf hin, dass fünf der zwölf verseuchten Brunnen als Viehtränken dienen. Der Lebensmittelmulti Glanbia bezieht Milch aus der Gegend. Pressesprecher Michael Patten sagte der taz, dass man lediglich von zwei Lieferanten im Aghancon-Tal Milch kaufe, und die benutzten alternative Wasserquellen. Glanbia beobachte die Situation und stehe in ständigem Kontakt mit der Umweltschutzbehörde. Für die scheint der Fall mit der Warnung vor dem Trinkwasser allerdings erledigt.
RALF SOTSCHECK
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