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Stiller Teilhaber an der US-Macht

Indien positioniert sich im Konflikt um einen möglichen Irakkrieg stillschweigend an der Seite der USA. Dehli erhofft sich dadurch eine größere weltpolitische Rolle

DELHI taz ■ US-Diplomaten sind in diesen Tagen ständige Gäste auf der Besucher-Tribüne des indischen Parlaments. Sie arbeiten auf Hochtouren, um in ihrem Gastland neue Bundesgenossen zu finden. In Delhi konnten sie zwei Erfolge verbuchen. Dank intensivem Lobbying gelang es ihnen, eine ungünstige Irak-Resolution im indischen Parlament zu verhindern, was sich auf Indiens Position im Rahmen der Blockfreien auswirkt.

Dabei hat Indien als Mitbegründer und Wortführer der Blockfreien früher keine Gelegenheit ausgelassen, um über die USA herzuziehen. Jetzt erklärte Regierungschef Atal Behari Vajpayee, die Geduld der UNO mit dem Irak sei beschränkt und der Sicherheitsrat könne „nicht beliebig lange warten“.

Auch die Oppositionsparteien verliehen ihrer „Solidarität mit dem irakischen Volk“ bisher wenig Nachdruck. Weder im Parlament noch auf der Straße kam es zu größeren Kundgebungen. Als am 15. Februar in westlichen Hauptstädten Hunderttausende demonstierten, zogen in Delhi nur knapp 2.000 Leute vor das Parlament.

Im letzten Golfkrieg hatte Delhi einen neutralen Kurs gesteuert und war auf die Nase gefallen. Die Golfstaaten lehnten die Bitten zur Repatriierung von Millionen indischer Gastarbeiter ab und überließen diese monatelang ihrem Schicksal.

Dazu möchte es die Regierung jetzt nicht mehr kommen lassen. Sie will ihr nationales Interesse vor die Blockfreien-Solidarität stellen. Dabei definiert sie dieses Interesse aber umfassender als vorher. Informationen aus Regierungsquellen lassen den Schluss zu, dass Delhi Washingtons Strategie akzeptiert. Es gehe bei der Invasion des Irak nicht nur um Saddam Hussein, Massenvernichtungswaffen und Erdöl, sondern auch um die Neugestaltung der politischen Architektur des Mittleren Ostens. Diese Neugestaltung wäre in Indiens langfristigem Interesse. So würde die Demokratisierung arabischer Staaten die Wirtschaftsbeziehungen auf eine solidere Basis stellen, hofft man in Dehli.

Dabei schwingen in diesem Szenario anti-islamische Reflexe mit. Die Vertreter der hindunationalistischen Regierungspartei BJP erhoffen sich vom Sturz Saddams die Eindämmung panislamischer Ambitionen. Dies würde langfristig eine Transformation des ungeliebten Nachbarn Pakistan bewirken. „Was in Baghdad beginnt, wird in Pakistan enden“, resümiert die Zeitung Indian Express diese Hoffnung. Hindu-Nationalisten sehen im Irak-Krieg eine Möglichkeit, den Einfluß ihrer 145 Millionen muslimischen Mitbürger einzudämmen.

Indiens Reaktion auf den amerikanisch-europäischen Zwist macht zudem klar, dass es Delhi im Irak-Konflikt um mehr geht als nur um den Mittleren Osten. Trotz der weitgehend problemlosen Beziehungen mit Deutschland und Frankreich hat Indiens Diplomatie deren Position ignoriert. Der Regierung nahestehende Publizisten wie etwa C. Raja Mohan erkennen in der Entwicklung am Golf einen „defining moment“ für eine Neuordnung des internationalen Sicherheitssystems. Dieses orientiere sich nicht mehr an den alten europäischen Interessen. In diesem Szenario nehme Indien eine wichtigere Position als die traditionellen Nato-Partner der USA ein. Mohan sieht darin eine Gelegenheit, Indiens Einfluß auszudehnen.

Dass in den USA ähnlich gedacht wird, äußert sich in der wachsenden Zahl von Stimmen, die für einen ständigen Sitz Delhis im Weltsicherheitsrat eintreten. Ginge es nach dem New York Times-Kolumnisten Thomas Friedman, wäre es der Sitz Frankreichs. BERNARD IMHASLY

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