: Zuckerbrot und Peitsche
Wer nicht spurt, dem wird die Sozialhilfe gekürzt: Mit dem Modellprojekt „Stabilo“ möchte der Bremerhavener Magistrat verhindern, dass Sozialhilfeempfänger sich vor Prämienarbeit drücken
taz ■ Bremerhavens Sozialdezernent Wilfried Töpfer (SPD) zieht auf seinem Feldzug gegen angeblich arbeitsscheue Sozialhilfeempfänger einen Vorschlag nach dem anderen aus dem Hut. Erst im letzten Jahr erregte der Sozialdemokrat mit einer Denunzianten-Hotline Aufsehen: Bürger sollten den Behörden telefonisch melden, wenn sie Sozialhilfemissbrauch witterten. Das Telefon wurde bald abgeschaltet, es meldeten sich kaum Petzer.
Jetzt will der Magistrat mit einem kommunalen Sonderprogramm arbeitslose Sozialhilfeempfänger „fit für den Job machen“. Kern des Programms ist das Modellvorhaben „Stabilo“ – das Kürzel steht für „Stabilität und Orientierung von jungen Prämienarbeitern“. Teilnehmen an „Stabilo“ sollen 30 Sozialhilfeempfänger zwischen 18 und 30 Jahren – darunter vor allem Langzeitarbeitslose, die ihnen angebotene Prämienarbeiten häufig abgebrochen oder gar nicht erst aufgenommen haben.
Prämienarbeit – darunter fallen gemeinnützige Arbeiten wie die Pflege von Sportplätzen oder das Saubermachen von Grünanlagen – soll nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) schwer vermittelbare Sozialhilfeempfänger an einen geregelten Job gewöhnen. Dafür gibt‘s eine Aufwandsentschädigung von fünf Euro am Tag, zusätzlich zur Sozialhilfe. 51 Prozent aller zur Prämienarbeit aufgeforderten Sozialhilfeempfänger hätten sich im vergangenen Jahr „geweigert, ihre Sozialhilfe auf diese Weise aufzubessern“, mokiert sich der Magistrat. „Viele sind derartig arbeitsentwöhnt, dass sie schon daran scheitern, jeden Tag sortiert an der Arbeitsstelle zu erscheinen“, sagt Melf Grantz, SPD-Fraktionschef in der Stadtverordnetenversammlung.
„Bei Stabilo wird jetzt gezielter Druck auf die jungen Leute ausgeübt“, sagt Klaus Rosche, Stadtrat für kommunale Arbeitsmarktpolitik. „Drückeberger“ müssten damit rechnen, dass ihnen die Sozialhilfe gekürzt oder ganz gestrichen werde. Die Teilnahme am Modellprojekt sei verbindlich, ebenso wie „die Vorlage einer Krankmeldung gleich am ersten Tag“. Außerdem wird den Stabilo-Leuten die Sozialhilfe wöchentlich ausgezahlt – im Nachhinein, je nach Fleiß.
Neben der finanziellen Peitsche gibt‘s auch ein wenig Zuckerbrot: Zwei Sozialpädagogen, angesiedelt bei der Bremerhavener Beschäftigungsgesellschaft Unterweser (BBU), treffen die Stabilo-Teilnehmer regelmäßig zu längeren Gesprächen. Dabei soll herausgearbeitet werden, welche Jobs für den Einzelnen passen würden – und was bislang schief gelaufen ist.
„Klar setzen wir das Geld als Druckmittel ein“, sagt Stefan Mennecke von der BBU. So wolle man die „schwierige Klientel“ dazu bringen, „kontinuierlich was durchzuziehen“. „Stabilo“ sei ein „ganz niedrigschwelliger Einstieg“: Erfolgreiche Teilnehmer hätten aber die Chance, in eine BSHG-19-Maßnahme oder gar in die freie Wirtschaft übernommen zu werden.
„Grundsätzlich finde ich es richtig, mit den Leuten, die im Off stehen, etwas zu machen“, sagt Martin Lühr von der Arbeitsgemeinschaft arbeitsloser BürgerInnen (Agab) in Bremen. Es könne aber auch sein, „dass in Bremerhaven alles zu spät ist“. Dort sei der Arbeitsmarkt „ja quasi zusammengebrochen“. Anke Krein von den Bremerhavener Grünen ist ähnlich defätistisch gestimmt. Programme wie „Stabilo“ seien „sicherlich besser als nichts“. Andererseits parke man immer mehr Leute „in irgendwelchen befristeten Maßnahmen“ – eine richtige Alternative sei das nicht. Der Seestadt mangele es schlicht an „vernünftigen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen“, so dass Jugendliche gar keine Zukunftsperspektive mehr sähen. „Ich weiß nicht, wo das enden wird.“ Markus Jox
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