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Institution der bösen Künste

Besser, fieser und schwärzer: „Satyricon“ zelebrieren in der Markthalle den schönen Schauer des Black Metal norwegischer Prägung – ausgerechnet am Sonntag

Zur Elite zu gehören, kann auch einsam machen. Zumal in Skandinavien, wo man bekanntlich von Natur aus schnell mal unter sich ist. Wer etwa den Verlauf der Karriere von Norwegens Black Metal-Institution Satyricon verfolgt hat, sieht die Band nach gut zehn Jahren des Wütens und Hetzens vor allem stilistisch allein auf weiter Flur stehen. In diesem Fall eine Entwicklung von geradezu strategischer Beseeltheit, denn Bandchef Satyr und sein ewiger Mitstreiter Frost haben ihr Anliegen, ohne Wenn und Aber immer besser, fieser und schwärzer zu werden, mit beeindruckender Zielstrebigkeit verfolgt.

Zu Beginn ernteten die zwei aus dem Eis für ihre mitunter unbeholfenen Hymnen noch einiges Gelächter. Dann aber folgten mit The Shadowthrone und Nemesis Devina zwei Alben, auf denen Satyricon ihren Glauben an die Blasphemie mit großen Teilen Neo-Heidentum, Wikinger-Mythen und Naturverehrung verfeinerten. Und während andere Größen des mäßig beleumundeten Genres sich Mitte der Neunziger durch rassistische Menschenbilder, Brandanschläge und Mordattentate ins Aus trieben, pflegte Satyr sein Image als nordischer Gottesfeind, der seine Vollendung in der künstlerischen Rundumbedienung apokalyptischer Visionen sucht.

Gerade mal 20 Jahre alt, gründete er das Label Moonfog Productions und gab dort neben seinen eigenen Projekten auch anderen wichtigen Bands wie Darkthrone, Gehenna oder Isengard ein Zuhause. Und dieses Heim soll irgendwann ein Palast der bösen Künste werden. Der Weg dorthin ist mit Betonplatten soundtechnischer Perfektion gepflastert. Da fiept keine Rückkopplung unbedacht im Background herum, die Gitarren klingen nicht dünn, sondern eisig, und selbst die Paraphrasierung der unheiligen Worte stimmen bis aufs I.

Satyricon wirken wie ein großes, schwarzes Loch, das die Erkenntnisse aller anderen Black Metal-Bands in sich hineinsaugt, um damit am Tag X über die Menschheit herzufallen. Die Zukunft dieser Zunft liege in der Verbindung aus Metal und Elektronika, sagte der Meister einmal und verwies auf die letzten Veröffentlichungen seiner Labelbands Dodheimsgard und Thorns.

Die sahen sich, wohl zum ersten Mal in diesem Genre, weniger als Live-Band denn als Produzenten oder Knöpfchendreher. Satyricon versuchten davon zu profitieren, indem sie ihrem vorletzten Album Rebel Extravaganza so viel Künstlichkeit wie möglich einprogrammierten. „Digital –Hate“ sagten einige dazu, das Gros der Fans aber war erst mal nur verunsichert, weil ihre einstige Lieblingsband nun durch futuristischere Gefilde glitt, in denen kein Platz mehr für Good Ol‘ Odin schien.

Wie lernfähig Satyricon sind, zeigt ihr aktuelles Werk Volcano: Metal durch und durch, große Epen à la „Mother North“, der Bandhymne schlechthin, und eine hinreißende Fotogalerie, die Satyr und Frost als blass geschminkte Boten einer schlimmen Zeit durch isländischen Lava-Nebel waten lässt. Ihre Waffe: Einsamkeit und Stille.

OLIVER ROHLF

mit Khold: Sonntag, 21 Uhr, Markthalle

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