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pds und freizügigkeitGuter Vorschlag zur späten Zeit

Angenommen, ein großer Veranstalter plant ein deutsch-polnisches Rockfestival. Als Standorte kommen Berlin und Stettin in Frage. Warum sich der Veranstalter für Stettin entscheidet? Ganz einfach: Catering, Technik, Know-how, alles ist in Polen billiger. In Zeiten knapper Budgets ist das kein geringes Argument.

KOMMENTAR VON UWE RADA

Würden polnische Arbeitnehmer und Dienstleister, wie es nun die PDS fordert, ab Mai die volle Freizügigkeit genießen, könnte das Festival trotz knapper Budgetierung auch in Berlin stattfinden. Einige tausend Gäste würden der Hauptstadt nicht nur Aufmerksamkeit bescheren, sondern auch einiges an Kaufkraft. Selbst das Argument, dass beim Einsatz polnischer Bühnenarbeiter und Cateringfirmen deutsche Firmen benachteiligt würden, würde in diesem Fall nicht stimmen. Sie gehen nämlich auch leer aus, wenn das Festival in Polen stattfindet.

Situationen wie diese nennt man Win-win-Situationen. Die freilich sind im Gesetzentwurf von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement nicht vorgesehenen. Zunächst zwei, dann weitere drei und zwei Jahre lang sollen polnische Arbeitnehmer und Dienstleister vom deutschen Arbeitsmarkt fern gehalten werden. Aus Angst vor einem Verdrängungswettbewerb, wie es offiziell heißt. In Wirklichkeit ist es bloßer Populismus. Der Verdrängungswettbewerb hat nämlich schon längst stattgefunden.

So richtig der PDS-Vorschlag für eine Öffnungsklausel für die grenznahen Bundesländer deshalb ist, so spät kommt er. Am 14. Februar entscheidet der Bundesrat über die Aussetzung der Freizügigkeit. Eine Erfolg versprechende Bundesratsinitiative ist aber nicht in Sicht. Und es wird sie wegen der Wahlen in diesem Jahr auch nicht mehr geben.

So werden die polnischen Bühnenarbeiter und Caterer ab Mai nicht in Berlin arbeiten, sondern in Kopenhagen und London. An der Bundeshauptstadt und „Ost-West-Drehscheibe“ zieht die Osterweiterung mal wieder vorbei. Das nennt man dann aber nicht mehr Win-win-Situation, sondern Loser-Politik.

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