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„Schlimmer kann es nicht werden“

Der tschetschenische Duma-Abgeordnete Aslambek Aslachanow befürwortet das von Moskau angesetzte Referendum in Tschetschenien. Die Republik brauche eine neue Verfassung. Das Projekt und die Durchführung hält er aber für mangelhaft

Interview KLAUS-HELGE DONATH

taz: Herr Aslachanow, Sie stehen zwischen den Fronten. Einerseits befürworten Sie das Referendum des Kremls in Tschetschenien, gleichzeitig halten Sie mit der Kritik an der Durchführung Moskaus nicht hinterm Berg.

Aslambek Aslachanow: Ich hatte nie geglaubt, Tschetscheniens Unabhängigkeit würde von Erfolg gekrönt sein. Ich war von Anfang an gegen eine Statusveränderung. Das Volk hat gelitten, nicht seine Verführer. Die Vorbereitung des Verfassungsprojekts weist große Mängel auf. Es wurde in Windeseile durchgeboxt. Etwas mehr Zeit, und man hätte ein seriöses Dokument vorlegen können. So sind Kollisionen programmiert. Die Verfassung entspricht weder den Bedingungen in Tschetschenien noch den Eigenschaften des Volkes.

Was bedeutet das konkret?

Sie ist einer Person auf den Leib geschrieben. Dem von Moskau eingesetzten Administrationschef Achmed Kadyrow. Eine Präsidialverfassung widerspricht unseren Traditionen, Tschetschenen verkehren von Gleich zu Gleich. Eine parlamentarische Demokratie käme unserem Wesen näher.

Sind Sie konsultiert worden?

Ich habe den Entwurf bei einem Treffen mit Präsident Putin im Kreml erstmals zu Gesicht bekommen, konnte ihn nur überfliegen, habe aber kein Hehl draus gemacht, dass ich das Projekt in vorliegender Form nicht unterstütze. In einer Nachtsitzung habe ich noch die wichtigsten Änderungen eingebracht. Als der Entwurf veröffentlicht wurde, war nicht ein einziger Einwand berücksichtigt worden.

Putin hat das unwidersprochen durchgehen lassen?

Ich vermute, dass Kadyrow ihn hinters Licht geführt hat. Kadyrow ist felsenfest überzeugt, der Kreml werde seine Wahl zum Präsidenten durchsetzen.

So wie 1995 die Marionettenregierung Doku Sawgajews?

Ich fürchte die damaligen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl sind ein Kinderspiel verglichen mit dem, was nächstes Mal zu erwarten ist.

Dennoch haben Sie die Wähler zu Abstimmung aufgerufen.

Das Referendum findet auch ohne mich statt, ich möchte keinen Vorwand für eine neue Ausrede liefern. Außerdem hoffe ich, ein Minimum demokratischer Prozeduren wird gewahrt. Ein frommer Wunsch angesichts der militarisierten Gesetzlosigkeit in Tschetschenien.

Der Wahlgang findet unter den Bajonetten der Armee statt. Der Kreml verweist darauf, auch im Kosovo hätte das Militär Wahlen überwacht.

Propagandistische Ablenkung. Die Kosovowahlen fanden unter dem Schutz einer disziplinierten Armee statt, die darauf achtete, keinen falschen Schritt zu machen, weil sie zur Rechenschaft gezogen worden wäre.

Trotz Bedenken ist für Sie das Referendum unabdingbar?

Wir brauchen dringend eine Verfassung, um Grundlagen für die Selbstverwaltung auf allen Ebenen zu schaffen. Moskaus Agitation hebt indes auf Sicherheit und Rechtssicherheit nach der Wahl ab. Ich halte das für Augenwischerei, denn dafür würde schon die Russische Verfassung reichen. Meine Hoffnung richtet sich auf den Wiederaufbau staatlicher Strukturen durch Tschetschenen. Zur Stabilisierung würde schon beitragen, wenn wir ein eigenes Gerichtswesen hätten, das Gesetzesverstöße auch ahnden könnte. Außerdem haben vom Volk gewählte Vertreter höhere Überlebenschancen als von Moskau und der Administration ernannte Wasserträger. Ganz wichtig: die Budget- und Finanzhoheit durch ein gewähltes Parlament. Bisher verschwinden 80 bis 90 Prozent des Tschetschenienhaushalts in zwei Dutzend Moskauer Ministerien.

Wie steht die Bevölkerung zum Referendum?

Die Mehrheit geht mehr oder weniger feiwillig zur Wahl. Schlimmer kann es nicht werden. Der Druck beider Seiten hat keinen nennenswerten Einfluss, denn Tschetschenen fürchten nichts mehr.

Nach sowjetischer Weisheit ist entscheidender, wer zählt, denn wer wählt. Fest steht, Tschetschenien kehrt in den russischen Staatsverband zurück. Heißt das, die Gewalt hat ein Ende?

Ich zweifle dran. Solange die Armee Polizeifunktionen wahrnimmt, wird das Marodieren weitergehen. Erst kündigte Moskau an, 30.000 Soldaten würden stationiert, in Wirklichkeit sind es wieder 40.000. Damit ist Gewalt von beiden Seiten programmiert. Nur Demilitarisierung führt langfristig zu Entspannung. Wenn die Separatisten am Sonntag keinen Anschlag vorbereiten, würde mich das wundern.

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