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SPD-Ikone wechselt die Front

Klaus Herzmanatus verliess nach 25 Jahren die Gelsenkirchener SPD und ergattert einen Posten in der CDU. Der Ex-Betriebsratsvorsitzende von Zeche Hugo will jetzt die „Ärmel hochkrempeln und Schüppe inne Hand nehmen“

GELSENKIRCHEN taz ■ Wie Don Quijotte hat sich Klaus Herzmanatus in der SPD gefühlt. „Ich war wie geknebelt, wurde immer ausgebremst“, sagt der 42-Jährige Gelsenkirchener. Jetzt hat der Ex-Betriebsrat von der Gelsenkirchener Zeche Hugo nach einem Viertel Jahrhundert SPD-Mitgliedschaft sein Parteibuch zurückgegeben. Herzmanatus steht aber nicht mit leeren Händen da: Er ist Kandidat der CDU in Buer-West für die Kommunalwahlen im September. „Die haben mich sofort aufgenommen, das war ganz toll“, schwärmt er.

Klaus Herzmanatus will jetzt die „Ärmel hochkrempeln und die Schüppe in die Hand nehmen.“ Der Grubenelektriker ist in Gelsenkirchen eine Ikone des Bergarbeiterkampfes. Er war auf der Zeche Hugo erst Jugendvertreter, dann Sprecher, später Betriebsratsvorsitzender, bis die Schachtanlage im April 2000 geschlossen wurde. Seitdem will er die stillgelegte Schachtanlage II zu einem Besucherbergwerk umfunktionieren. „Wir müssen unsere Geschichte verkaufen“, sagt er. Schon jetzt macht Herzmanatus seine Geschichte auf der Zeche zu Geld. Er malt die Fördertürme in Kohle und Bleistift, hat der Zeche ein kleines Museum eingerichtet und Bücher gewidmet. „Das ist meine Heimat.“

Dass seine neue Heimat CDU gegen die milliardenschweren Subventionierungen von Zechen ist, scheint den ehemaligen Kumpel nicht zu stören. „Auch in der CDU gibt es Befürworter“, behauptet er. Er wolle versuchen, die CDU von innen zu verändern. Außerdem seien bei den Sozialdemokraten die Reihen für den heimischen Bergbau auch nicht mehr geschlossen.

Überhaupt gefällt ihm das „ganze kopflose Treiben“ in der SPD nicht mehr. Das Dosenpfand, die LKW-Maut, das Chaos um die Steuerreform – „das konnte ich nicht mehr mitmachen.“ Als dann auch noch seine Freunde über seine Genossen herzogen, habe er sich „plötzlich fürchterlich erschrocken.“ Klar sei er jetzt wehmütig, und er habe lange mit sich gerungen. Aber dann war da die CDU. Und ihr Oberbürgermeister Oliver Wittke, den Herzmanatus ganz klasse findet. „Der stellt was dar, der macht was aus der Stadt.“

Die Gelsenkirchener SPD will dem einstigen Vorzeigegenossen keine Träne nachweinen. „Alte standhafte Gewerkschafter die mit Tränen in den Augen ihr Parteibuch zurückgegeben haben, um die tut es mir mehr leid“, sagt Geschäftsführer Dieter Deuse. Jahrelang habe man sich mit Herzmanatus solidarisiert und ihn in seinem Kampf ums Bergwerk unterstützt, sogar Kontakte zu Johannes Rau hergestellt. Undankbar habe er jetzt die Fronten gewechselt. Hinter Herzmanatus‘ Entschluss vermutet er nun reinen Egoismus. Das finden auch andere Genossen aus der Schalke-Stadt. Herzmanatus sei ein „Karrierist, ein Schaumschläger und Emporkömmling – genau wie Herr Wittke“, heißt es bei denen, die lieber anonym schimpfen wollen. Er sei nur gegangen, um auf der Karriereleiter emporzusteigen.

Die Gelsenkirchener CDU gibt zu, Herzmanatus vor seinem Wechsel umworben zu haben. „Wir haben ihm schon länger unser Interesse signalisiert,“ sagt ihr stellvertretender Vorsitzende Jens Petershöfer. Schließlich sei man kein geschlossener Verein und offenfür bekannte Persönlichkeiten. „Wenn schon alte Bergmänner die SPD verlassen, können wir uns auf die Wahlen freuen.“ ANNIKA JOERES

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