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Masterplan gegen Tod auf der Straße

Die Zahl der Verkehrstoten lässt sich bis 2010 halbieren, sagt der Verkehrsclub Deutschland. Allerdings müsste dafür auch Verkehrsminister Manfred Stolpe aktiver werden und beispielsweise Tempolimits festlegen. Der sieht dazu aber keinen Anlass

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Jeden Tag sterben in Deutschland 18 Menschen im Straßenverkehr, bis zu 1.400 werden verletzt, jeder Fünfte davon schwer. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) muss mehr für die Sicherheit tun, forderte deshalb gestern der Verkehrsclub Deutschland (VCD) – und das passende Konzept hat er auch schon parat: „Vision Zero“ heißt der Masterplan, mit dem die Zahl der Verkehrstoten und -verletzten bis 2010 zunächst einmal halbiert werden soll.

„Obwohl es immer heißt, jeder Tote ist zu viel, haben wir uns an den hohen Blutzoll des Autos gewöhnt“, schimpft VCD-Geschäftsführer René Waßmer. Rot-Grün schere sich nicht um die Sicherheit. Um das zu ändern, schlägt der VCD ein Bündel von Maßnahmen vor. Dazu gehören Tempolimits auf Autobahnen, Landstraßen und in Städten. Diese fanden bisher zwar noch nie eine politische Mehrheit, doch erläutert VCD-Experte Michael Adler: „Wird die Geschwindigkeit nur um einen Kilometer pro Stunde gedrosselt, gibt es bereits zwei Prozent weniger Unfälle.“

Auch die Hersteller sind gefragt. Geht es nach dem Willen des VCD, sollen Autos künftig nur noch zugelassen werden, wenn sie anspruchsvolle Crashtests bestehen. Airbags, Anschnallpflicht, Knautschzonen haben bisher nämlich allein die Überlebenschancen für die Insassen erhöht. Fußgängern oder Radfahrern helfen sie nichts. So schneiden der Opel Corsa oder der Audi A4 bei Crashtests (www.euroncap.com) mit Fußgänger-Dummys miserabel ab. Dabei zeigen Daihatsu und Honda, wie es gehen kann: Eine gedämpfte Motorhaube mindert die Härte eines Aufpralls.

Der Masterplan ist nicht revolutionär. Andere europäische Länder wie Großbritannien, die Niederlande, Österreich, Schweden und die Schweiz richten ihre Verkehrspolitik seit Jahren nach der „Vision Zero“ aus – mit Erfolg.

Verkehrsminister Stolpe überzeugt das offenbar nicht. Zielvereinbarungen seien eine Modeerscheinung, sagt sein Sprecher Felix Stenschke. Und: „Für uns ist Verkehrssicherheit eine ständige Aufgabe, dafür brauchen wir keine neuen Namen.“ Außerdem sei die Zahl der Verkehrstoten rückläufig.

Verglichen mit den 70er-Jahren, als der Autoverkehr sprunghaft zunahm und bis zu 200.000 Menschen im Jahr das Leben kostete, sinkt die Zahl tatsächlich. Dafür stieg aber die Zahl der Verkehrsunfälle leicht auf 2,37 Millionen. Die volkswirtschaftlichen Kosten durch Rettungsdienst, medizinische Behandlung und Sachkosten beziffert der VCD dementsprechend auf satte 36 Milliarden Euro jährlich. Verschwindend gering erscheint dagegen der Betrag von 11 Millionen Euro, den die Regierung derzeit in die Verkehrssicherheit steckt.

Auch der VCD weiß, was mehr Sicherheitspolitik kosten würde – und fordert den „Verkehrssicherheitscent“ als Aufschlag auf die Mineralölsteuer oder die Kfz-Steuer. Allein: Die Aussicht auf Erfolg ist gleich null. „Die Forderung passt nicht in die finanzpolitische Landschaft,“ sagte Stolpe-Sprecher Stenschke, ohne lange zu überlegen.

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