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ein arabisches tv-tagebuchDer Schriftsteller Sélim Nassib über den Irakkrieg aus der Perspektive von al-Dschasira

Gegenstimmen zur Beschwörung der Bruderschaft

Al-Dschasira strahlt die Bilder zweier getöteter britischer Soldaten und zweier weiterer Gefangener aus: „Dieses Sender hat nicht nur gegen die Genfer Konventionen verstoßen, sondern auch die Grenzen des Anstands überschritten. Ich weiß, dass al-Dschasira stolz auf seine Berichterstattung über die Ereignisse sein möchte. Wir wollen überhaupt nicht die Freiheit der Medien beschränken. Aber wir zählen auf das Verantwortungsgefühl der Medien, damit sie nicht, ohne es zu merken, zu Werkzeugen des irakischen Regimes werden.“

Die Kritik des Sprechers der britischen Armee, vor einer Versammlung ausländischer Journalisten wird vom Informationssender aus Katar vollständig übertragen. Aber der Sender reagiert nicht auf die Vorwürfe und fährt fort, die beanstandeten Bilder zu übertragen.

Al-Dschasira erreicht einige fünfzig Millionen Fernsehzuschauer. Es ist eine wichtige und bewegliche Schachfigur auf dem Spielfeld geworden, zumal er in Katar sitzt, nicht weit von der Zentrale des amerikanisch-britischen Militärkommandos entfernt. Die Bilder, die er von irakischen Opfern und westlichen Kriegsgefangenen ausstrahlt, haben verheerenden Einfluss auf die arabische Öffentlichkeit. Unter dieses Umständen haben es Amerikaner und Briten schwer, diese öffentliche Meinung davon zu überzeugen, dass ihr Krieg ein Befreiungskrieg ist.

Trotzdem tauchen immer wieder kritische Stimmen auf. So zeigt al-Dschasira eine Reportage über ein militärisches Trainingscamp irakischer Opositioneller in Ungarn, die, mit dem Rücken zur Kamera, vorsichtig erzählen. In Erbil, im irakischen Norden, erklärt ein kurdischer Verantwortlicher, dass viele der Stadtbewohner aufs Land geflüchtet seien, „aus Angst vor dem Einsatz von Chemiewaffen“. Er fügt hinzu, dass die Kurden fürchten, unter die Fuchtel der Türkei oder eines irakischen Regimes nach Saddam zu geraten – und dass sie eine begrenzte Intervention der türkischen Armee in ihrer Region nur unter der Kontrolle der Amerikaner und der Kurden selbst akzeptieren werden.

Ein irakischer Kommentator, der nicht zum Sender gehört, schaltet sich von Bagdad aus ein, um darauf hinzuweisen, dass die Kurden und die Iraker „zwei Brüdervölker“ wären, und dass Saddams Regime Kurdistan in der Vergangenheit eine weitgehende Autonomie eingeräumt hätte. Der kurdische Verantwortliche weist diese Bemerkung zurück und erinnert an die Angst und die Unterdrückung, die stets die Bürde der Kurden gewesen sei. „Die unterschiedlichen kurdischen Parteien gehören zur irakischen Opposition“, fügt er hinzu. Und alle kämpfen für einen demokratischen, pluralistischen und föderalen Irak.

Angesichts einer arabischen öffentlichen Meinung, die der Invasion massiv feindselig gegenüber steht, sind die Kurden die Ersten (aber sie sind keine Araber), die eine offene Kritik an der Diktatur hören lassen.

SÉLIM NASSIB

Der libanesische Schriftsteller Sélim Nassib begleitet in seiner Kolumne die Berichterstattung des arabischen Nachrichtensenders al-Dschasira

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