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Virus versetzt China in Aufregung

Wegen der gefährlichen Lungenerkrankung SARS werden jetzt auch in Hongkong alle Schulen geschlossen. Den Behörden in Südchina wird Versagen vorgeworfen, und erst jetzt dürfen die zensierten Medien in Peking über die Gefahr berichten

aus Peking GEORG BLUME

Seit gestern wissen es endlich auch die Hauptstädter: „Bei verdächtigen Krankheitsanzeichen wie Fieber und Husten soll man sofort zum Arzt gehen“, rüttelte die Pekinger Jugendzeitung ihr bislang uninformiertes Publikum wach. Seit wann aber sind Fieber und Husten „verdächtig“? Seit ein Großteil der entwickelten chinesischen Welt vor der nichttypischen Lungenentzündung SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) zittert.

Das tödliche SARS-Syndrom, das weltweit bislang 50 Todesopfer forderte, davon 31 in Südchinas Provinz Guangdong, hat den chinesischen Großstadtalltag verändert. In Singapur, dem südostasiatischen Stadtstaat chinesischer Prägung, wurden alle Schulen geschlossen. Das ordnete gestern auch Hongkong an, wo 1.080 Menschen unter Quarantäne gestellt wurden.

SARS basiert auf einem Virus, das sich offenbar so leicht wie eine Erklärung auffangen lässt. Schulkinder sind für Viruserkrankungen besonders anfällig. Das fürchten inzwischen auch die Pekinger, denen ihre zensierten Medien bis gestern alle Informationen über die neue Krankheit vorenthielten. Dennoch gab es schon kaum noch einen Hauptstädter, der sein Kind gern in die Schule schickte. In vielen Schulen wiesen besorgte Lehrer schon die Kinder an, Kinobesuche und öffentliche Veranstaltungen aus Ansteckungsgefahr zu vermeiden. Gestern sagten auch die Rolling Stones ihre für heute und morgen in Hongkong geplanten Konzerte ab.

Längst ist Vorsorge ein großes Thema. Das traditionelle chinesische Medikament „Banlangen“ ist in Guangdong bereits seit Wochen ausverkauft. Nun leeren sich auch in Peking und Shanghai die Regale mit dem Anti-Erkältungs-Trunk. Die Pekinger Jugendzeitung empfiehlt Banalitäten wie: „Wohn- und Arbeitsräume gut lüften und sich die Hände öfter mit Seife waschen.“ Doch gerade die scheinbar simplen, in den Alltag eingreifenden Warnungen machen das Virus unheimlich. Schon tragen tausende in Guangdongs Hauptstadt Guangzhou Mundschutzmasken aus Baumwolle.

Hongkonger Medien werfen Chinas Behörden vor, die Krankheit zu lange verharmlost zu haben. In Guangdong wurden die ersten Fälle im November gemeldet. Als die Zahl der Infizierten im Februar zurückging, gaben die Behörden öffentlich Entwarnung. Doch sind unbekannte Virenerkankungen in der suptropischen Provinz nichts Neues. Auf dem Land herrschen ärmste Verhältnisse. Nur wenige rechneten offenbar damit, dass sich Krankheiten von dort auf Hongkonger Hoteletagen und internationale Flüge ausbreiten. Ohnehin ist es die Regierung in Peking gewohnt, epidemische Krankheiten in armen ländlichen Regionen totzuschweigen. Meistens nimmt in den Städen auch niemand Kenntnis von ihnen. Diesmal aber ist alles anders. „Als wäre der Irak nicht genug, erregt ein zweiter Krieg das Aufsehen der Welt“, trompetete gestern die Hongkonger Presse zum Kampf gegen das Virus.

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