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paralleldebatten etc.Seele für Europa

Manche Wortverbindungen können einen zur Verzweiflung bringen. Wie ein Mantra verhakt sich die Wendung im Bewusstsein und lässt das Denken nicht mehr los, leider ohne Ergebnis. So geschehen mit der Formel „Europa eine Seele geben“. Unter diesem Titel hatte eine Initiative gleichen Namens am Freitag und Samstag Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur in die Dresdner Bank am Pariser Platz in Berlin geladen, zum dritten Mal seit 2004. Dass diese Phrase vom ehemaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors stammt, hilft wenig. „Wir müssen Europa eine Seele geben“, hatte der spätere Karlspreisträger in einer Rede gefordert. Muss man sich also Europa als Lehmklumpen denken, dem die Initiatoren Leben einhauchen wollen?

Ein wenig Schützenhilfe zum besseren Verständnis gaben die Veranstalter der Konferenz denn doch und versprachen im Untertitel „Europas Kultur als Antrieb für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft“. Wie das aber zu geschehen habe, wurde nicht recht deutlich. Am brauchbarsten erschien die Anregung des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, statt Forderungen nach mehr Wirtschaft und weniger Kultur oder umgekehrt brauche Europa vor allem „die Wiederherstellung von Zusammenhängen“. Dazu seien Vernetzungen zwischen Wirtschaft, Politik und Kultur erforderlich, deren Vorhandensein er bezweifelte.

In den folgenden „Paralleldebatten“, die nur über Kopfhörer zu verfolgen waren, kündigte sich lediglich die mögliche Verfasstheit der europäischen Seele im technischen Zeitalter an. Mit den Übertragungsgeräten konnten die Konferenzteilnehmer nicht nur zwischen verschiedenen Sprachen, sondern auch zwischen den einzelnen Diskussionen im Saal hin- und herschalten – wodurch sich jeder Anflug von Zusammenhang medial verflüchtigte.

Debattiert wurde unter anderem über die Frage, „was Europa jetzt braucht“, oder die Bedeutung von Europa für Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft. Den „hohen Grad an Übereinstimmung“ zwischen den Gesprächsteilnehmern, den Robert Palmer vom Europarat bemerkte, brachte er mit seiner Bemerkung trocken auf den Punkt, dass er eben auf „der Vagheit der verwendeten Begriffe“ beruhe.

Auch wenn sich die europäische Seele auf der Konferenz nicht recht zeigen mochte, konnte man immerhin ein handfestes Trauma diagnostizieren: Kaum ein Sprecher ließ die Finanzkrise unerwähnt. Der Unternehmensberater Roland Berger beschwor gar etwas hilflos die Notwendigkeit der europäischen Kultur zur Stabilisierung der Wirtschaftsordnung. Wesentlich überzeugender wirkte da die ungarische Außenministerin Kinga Göncz mit ihrem Bekenntnis, sie selbst sei auf der Suche nach einer Seele für Europa. Die Politikerin ist von Haus aus Psychiaterin.

TIM CASPAR BOEHME

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