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Der teure Müll von gestern

Gestern wurde im Abgeordnetenhaus der „Sonderausschuss BSR“ eingesetzt. Er soll aufklären, wie es dazu kam, dass der Landesbetrieb von 1999 bis 2002 rund 60 Millionen Euro zu viel abrechnete

von LUCIA JAY und INA KOEHLER

Wenn in der Kasse mehr drin ist als erwartet, ist das eine freudige Nachricht. Meistens jedenfalls. Doch die immensen Fehlkalkulationen in ihren Tarifen haben die Berliner Stadtreinigungsbetriebe BSR in die Bredouille gebracht. In den Jahren 1999 bis 2002 hat der landeseigene Betrieb rund 60 Millionen Euro zu viel abgerechnet.

Wie es dazu kommen konnte, dass für die Straßenreinigung zu viel abgerechnet wurde, und wie eine Rückerstattung aussehen könnte – diesen Fragen soll ein „Sonderausschuss BSR“ des Berliner Abgeordnetenhauses nachspüren. Der Ausschuss traf sich gestern zu einer ersten konstituierenden Sitzung im Parlament. In der Folge des Abrechnungsskandals trat der BSR-Vorsitzende Peter von Dierkes letzte Woche zurück. Bis zum 1. Juli sollen Kandidaten für den Vorstand im internen und externen Bereich gesucht werden. Die entgültige Auswahl treffe der Aufsichtsrat, so der Senatssprecher für Wirtschaft, Christoph Lang. „Falls bis dahin niemand gefunden ist, muss eine Vertretungsregelung gefunden werden.“

Zum Vorsitzenden des Ausschusses wurde Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) gewählt, als Stellvertreter Daniel Buchholz (SPD) ernannt. Neben den Tarifkalkulationen und den zu hohen Deponie-Rückstellungen soll der Ausschuss vor allem auch über die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens beratschlagen. Lüdeke ist optimistisch: „Ich bin überzeugt, dass wir aufgrund des dringenden Aufklärungsbedarfs auch Erfolge erzielen werden.“

Um die Tarifkalkulationen der Berliner Stadtreinigung einsehen zu können, habe der Ausschuss für die nächste Sitzung die Jahresabschlüsse der BSR von den Jahren 1998 bis 2002 angefordert, so von Lüdeke. Hinzu kamen Unterlagen zu Führungsstrukturen und Tarifbestimmungen. Neben der falschen Tarifkalkulation wird den Stadtreinigungsbetrieben vorgeworfen, zu hohe Rückstellungen für die Deponien und das Personal angelegt zu haben. Geprüft werden müsse außerdem, ob diese Rückstellungen vorschriftsmäßig verzinst wurden.

Die Rückerstattung der doppelt bezahlten Gebühren für die sauberen Straßen bekommt jeder einzelne Kunde gutgeschrieben. Die Kosten aus den einbehaltenen Zinsen sollen eine Erhöhung der Müllgebühren im Jahr 2003/2004 verhindern. Eine Senkung kann aber nicht erwartet werden.

Der „Sonderausschuss BSR“ wird zum Ende des Jahres einen Bericht vorstellen, der weitreichende Konsequenzen für den landeseigenen Betrieb haben wird. „Monopole sind immer untauglich“, gab der Vorsitzende von Lüdeke zu bedenken. Er betonte, dass bei der Stadtreinigung Wettbewerb ermöglicht werden müsse.

Diese Richtung in der Abfallpolitik schlägt auch das neue Müllentsorgungskonzept von SPD, PDS und Grünen ein. Es sieht eine freie Ausschreibung für die Müllverarbeitung von 50 Prozent des Hausmülls vor. Dadurch soll eine effiziente und ökologische Müllverwertung in Berlin erzielt werden. Den Mülltransport wird weiterhin die BSR übernehmen.

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