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Kita-Loch schluckt Ganztagsschulen

Kein Ganztagsschulausbau in 2004, nur einige Gymnasiasten bekommen mehr Unterricht. Elternkammer-Vorsitzender Gisch verlangt, das Projekt „Abi 12“ zu stoppen. GAL wirft Bildungssenator Soltau erneut Unehrlichkeit vor

„Alle reden von Ganztagsschulen. Ole von Beust und Reinhard Soltau verhindern“, sagte gestern GAL-Politikerin Christa Goetsch. Und Britta Ernst (SPD) erklärte: „In anderen CDU-regierten Ländern ist Bildung Chefsache. Ole von Beust hat daran kein Interesse.“ Die Rede ist von der Verschiebung des Ganztagsschulprogramms auf 2005. Von Beust hatte entschieden, dass Bildungssenator Reinhard Soltau (FDP) kein Geld für die nötige Personalausstattung bekommt. Damit, so fürchtet Ernst, ginge Hamburg die erste Jahresrate der 66 Millionen Euro verloren, die der Bund bis 2008 für den Ausbau neuer Ganztagsschulen bereitstellt.

Dass es diese Bundesmittel gibt, ist seit 2002 bekannt. Doch Soltaus Vorgänger Rudolf Lange entschied erst im Oktober 2003, dass im Sommer 88 Schulen auf Ganztagsbetrieb umgestellt werden sollten. Doch Konzept und Drucksache ließen auf sich warten. Nachdem Soltau noch Anfang Januar beteuerte, Hamburg liege „im Zeitplan“, um die 2003er Mittel abzufordern, kam in dieser Woche scheibchenweise heraus, dass das nichts mehr wird: Am Dienstag hatte Soltau erklärt, die Entscheidung werde auf die Zeit nach der Wahl verschoben. Am Donnerstag gestand er dann gegenüber dem NDR ein, dass der gesamte Ganztagsschulausbau in 2004 auf Eis gelegt wird. Lediglich die 7. Klassen der 64 Gymnasien sollen an zwei Tagen nachmittags Unterricht und Essen bekommen, damit diese Schüler binnen 12 Jahren hochschulreif werden. Die übrigen bekommen nichts.

In einem Brief an die Schulleitungen erklärt Soltau nun, ihm seien wegen der bevorstehenden Neuwahl leider „die Hände gebunden“, hier haushaltsrelevante Entscheidungen zu fällen. „Dies ist eine weitere Lüge“, sagt Christa Goetsch. So könne Soltau diese Entscheidung im Zuge der vorläufigen Haushaltsführung sehr wohl treffen. Goetsch hatte, noch bevor die Neuwahlen entschieden waren, durch eine Kleine Anfrage erfahren, dass auch ursprünglich im Bildungsetat für 2004 kein Geld für neues Ganztagsschulpersonal eingeplant war. Offenbar gab es angesichts des immer größeren Finanzlochs im Kita-Etat auch schon vor der Wahl seitens der Finanzbehörde wenig Neigung, der Bildungsbehörde Geld für Neues anzuvertrauen. Laut Britta Ernst mangelt es aber auch an schlüssigen Konzepten. So habe Soltaus Behörde keine Gespräche mit möglichen Kooperationspartnern, die für Nachmittagsangebote gebraucht werden. Die Tischvorlage für den Ganztagsschulausbau, die Staatrat Gerd Hünerberg am Montag in der Staatsräterunde vorlegte, soll sehr dürftig gewesen sein.

Der Vorsitzende der Elternkammer, Holger Gisch, fordert nun, in Sachen Ganztagsschule die „Notbremse“ zu ziehen und das geplante Abitur nach 12 Jahren zu stoppen. Denn selbst diese Maßnahme sei „auf keiner Ebene richtig abgesichert“. So sei unklar, ob der Unterricht für Jahrgang acht und die folgenden Klassen gesichert ist. Auch sei es ohnhin fraglich, ob die bloße Aufstockung auf 35 Unterrichtsstunden pro Woche die Schüler schlauer mache. Gisch: „Nötiger wären Ganztagsschulen für Grundschulkinder.“ Kaja Kutter

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