vorlauf: Marktgeschrei über Seelentröster
„Polizeipastor – Kein Amt für zarte Seelen“ (21.45 Uhr, ARD)
Aus dem Leben von Andreas Schorlemmer ein Stück ausschneiden und im Fernsehen zeigen zu dürfen, ist eine Chance. Schorlemmer ist ein „guter Protagonist“, wie es im Fernsehjargon heißt. Denn durch ihn können die Autoren des Films „Polizeipastor“, Martina Krüger und Konrad Herrmann, viel auf einmal zeigen: wie es Polizeibeamten und Kirche im nordöstlichen Mecklenburg-Vorpommern ergeht. Wie die vielen Unfälle in den ländlichen Bundesstraßenalleen Familien zerstören. Und nebenbei: wie zwei Brüder, die beide Pastoren sind, der eine berühmt, der andere nicht, einander begegnen.
Das könnten die beiden Fernsehjournalisten zeigen. Am Polizeipastor Andreas Schorlemmer liegt es nicht, dass der Film Potenzial verschenkt. Schorlemmer lässt die Kamera an sich heran, in seinem Arbeitszimmer, in der Kirche, auf der Fahrt zu einem tödlichen Unfall und auf der Rückfahrt. Er denkt laut nach über den Tod, über seinen Beruf, über Vertrauen und Misstrauen der Polizisten ihm gegenüber.
Auf Distanz, meistens über 50 Meter, bleibt die Kamera nur, wenn Andreas Schorlemmer das machen muss, was seine Arbeit schwer macht. Wenn er Jugendlichen zuhört, kurz nachdem sie ihren Ausbilder im Auto vor ihnen gegen einen Baum rasen sahen. Wenn er der Frau des Verunglückten die Todesnachricht überbringt. Aber diese Distanz schadet nicht, sie bringt Beklemmung und Trauer nur näher. Fast zu nah, denn auch wenn der Kameramann im Auto von Schorlemmer sitzen bleibt – die Gespräche, die er führt, werden mitgeschnitten. Die Dokumentation könnte also bewegend und spannend sein. Hätten Martina Krüger und Konrad Herrmann nicht mit ihrem eigenen Text über den Tonfall des Pfarrers rübergewischt. Und hätten sie nicht Olaf Baden den Text sprechen lassen, dessen Ton zwischen Märchenonkel und Marktschreier liegt. Die Reportage fängt an mit: „Der Tag beginnt mit einem schweren Unfall, noch weiß der Pfarrer nicht, was vor ihm liegt.“ Sie endet mit: „Zurück in Groß Kiesow. Die Kirche ist sein Refugium. Allein mit sich, mit der Musik und wohl auch mit Gott.“ Das ist schade. MAREKE ADEN
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