: Verschollen in der Sahara
Im Süden Algeriens fehlt von 29 Touristen jede Spur. Die Hintergründe sind völlig unklar
von REINER WANDLER
Algeriens Polizei steht vor einem Rätsel: In den vergangenen Wochen sind unabhängig voneinander sechs Reisegruppen mit insgesamt 29 Personen in der südalgerischen Sahara verschwunden. 16 der Betroffenen stammen aus Deutschland, acht aus Österreich, vier aus der Schweiz und einer aus Holland. Sie alle sollen die so genannte „Gräberpiste“, ein malerisches ausgetrocknetes Flusstal, befahren haben.
Obwohl die algerische Gendarmerie bei der Suche von Kameltrupps über Geländewagen bis hin zu Kleinflugzeugen und Hubschraubern mit Wärmedetektoren alles einsetzt, gibt es keinen Spur von den Verschwundenen. Berlin und Wien haben an diesem Wochenende eigene Polizeibeamte nach Algerien geschickt, um sich an der Suche zu beteiligen. „Wir schließen im Moment nichts aus, was die Hintergründe angeht“, erklärt eine Sprecherin des Bundesaußenministeriums.
Dass die Sahara-Fahrer einer Naturkatastrophe zum Opfer gefallen sind, wird weitgehend ausgeschlossen. Zwar werden die ausgetrockneten Wüstentäler bei plötzlichen starken Regenfällen immer wieder zu reißenden Flüssen, doch müssten dann zumindest Reste der Fahrzeuge und der Ausrüstung zu finden sein.
Das Gebiet zwischen Niger, Mali und Algerien ist für Räuber- und Schmugglerbanden von großer Bedeutung. Immer wieder werden Sahara-Fahrer überfallen. Doch geht es den Räubern in erster Linie um Fahrzeuge und Ausrüstung. Gewalt wenden sie selten an. Sie setzten ihre Opfer meist in der Nähe von Siedlungen ab. Hätte eine dieser Banden die Touristen entführt, würde sie Lösegeld verlangen. Doch dies ist bisher nicht geschehen.
Deshalb wird mittlerweile untersucht, ob radikale Islamisten für das Verschwinden der Touristen verantwortlich sind. Indizien dafür gibt es einige: Seit Jahren arbeiten verschiedene Schmugglerbanden eng mit den radikalen Aufständischen im Norden Algeriens zusammen. Sie sorgen für den Nachschub an Waffen und Munition, aber auch an ausländischen Kämpfern für den „heiligen Krieg“, der in den letzten elf Jahren über 150.000 Tote gefordert hat.
Einer der Schmugglerbosse, Mokthar Belmokthar, hat sich mit seinen Männern mittlerweile den Salafistischen Gruppen für Predigt und Kampf (GSPC) von Hasan Hattab angeschlossen haben. Diese größte bewaffnete Gruppe in Algerien steht mit Ussama Bin Ladens al-Qaida in Kontakt. Belmokthar soll, so eine Vermutung, im Auftrag Hattabs und Bin Ladens Kontakte nach Mali und in den Niger knüpfen und in der Grenzregion neue Basen für Islamisten aufbauen, um die Verluste in Afghanistan und im Sudan wettzumachen.
Diese Vermutung passt nur zu gut zu den Aussagen des ehemaligen Taliban-Offiziers Fazul Rabi Said Rahman gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Er behauptet, dass eine Gruppe von Al-Qaida-Kämpfern letzten Herbst die afghanischen Berge in Richtung Algerien verlassen habe. Die verschwundenen Touristen könnten durchaus auf Belmokthars Truppe oder gar auf ein frisch eingerichtetes Lager gestoßen sein.
In den Internetforen der Wüstenfreaks tauchen seit einiger Zeit immer wieder Gerüchte von „Lkws mit afghanisch gekleideten Männern“ auf. Es werden auch Tuaregs zitiert, die von einem „Rebellenstützpunkt im südlichen Oued Samene“ sprechen.
Die „Tagesschau“ berichtete am Samstag von einem seltsamen Fund der Kamel-Suchkarawane, der diese Aussagen erhärten könnte. Die Gendarmen seien fünfzig Kilometer von der Oasenstadt Illizi auf ein weit verzweigtes Tunnel- und Canyonsystem gestoßen, in dem sich Menschen aufhielten. Der Suchtrupp sei durch ein mit Blättern getarntes Auto auf den Ort aufmerksam geworden. Die Armee soll jetzt das Gebiet untersuchen. Bisher war man davon ausgegangen, dass es unmöglich sei, in einem Fahrzeug dorthin zu gelangen.
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