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in fußballlandCHRISTOPH BIERMANN über Raucher am Ball

Inhalieren, nicht paffen!

Es gehört nicht unbedingt zu den Dingen, auf die ich besonders stolz bin, täglich mindestens ein Päckchen Zigaretten in Asche zu verwandeln. Eigentlich finde ich es sogar deprimierend, und mich erschrecken Zigarettenschachteln ganz fürchterlich, wie ich sie mir kürzlich beim Fußball in Holland kaufte. „Roken ist dodelijk“ stand darauf, und vor Schreck musste ich mir erst mal eine Kippe anstecken. Ich könnte hier lange Geschichten über die gescheiterten Versuche erzählen, mit dem Rauchen aufzuhören, aber den Job hat Italo Svevo mit seiner Romanfigur Zeno Cosini, der stets mit dem Rauchen aufhört, schon längst meisterhaft erledigt. „Da es mir nun einmal schadet, werde ich nie mehr rauchen, aber zuvor will ich es ein letztes Mal tun“, sagt der Mann der letzten Male.

Als Entschuldigung des blöden Lasters kann ich nur anführen, dass wahrscheinlich nirgends so viel geraucht wird wie beim Fußball. An kalten Wintertagen sieht man die blauen Rauchschwaden unter den Tribünendächern hervorquellen. Ob das mit der Spannung des Spiels zu tun hat oder Fußballfans eine stärkere orale Sehnsucht haben, da sie zu früh abgestillt wurden, sollte unbedingt mal untersucht werden. Jedenfalls wird wohl nur in finstren Hardrock-Spelunken mehr geraucht als im Stadion. Auch Fußballjournalisten sind fleißige Qualmer, weshalb die erste rauchfreie Weltmeisterschaft in Asien eine echte Prüfung war. Verfolgten Christen in römischen Katakomben gleich, drängte man sich in den abgelegenen Raucherzonen des Stadions. Zumindest für ein schönes Zusammengehörigkeitsgefühl hat das gesorgt und zwischen Seoul und Yokohama auch dafür, verloren geglaubte Kollegen immer leicht wiederfinden zu können – so sie denn Raucher waren.

Zu den unerzählten Geschichten des Fußballs gehört es, dass weitaus mehr Profis zur Zigarette greifen, als man annehmen würde. Bewegend hat mir etwa Kölns Mannschaftskapitän Dirk Lottner von durchwachten Nächten in jener Zeit erzählt, als er sich das Rauchen abgewöhnen wollte. Seine Welt war erst wieder in Ordnung, als er sich der Sucht gebeugt hatte. Ansonsten soll hier jedoch niemand geoutet werden, der mich während eines Interviews mal angeschnorrt hat. (Rauchende Fußballspieler kaufen nämlich häufig keine Zigaretten, wohl um vor sich selbst nicht als Raucher dazustehen). Denn zu rauchen ist natürlich besonders selbstzerstörerisch, wenn man mit dem optimalen Funktionieren des Körpers seinen Lebensunterhalt verdient. Trotzdem paffen selbst veritable Nationalspieler und echte Weltstars. Es sei nur an Johan Cruyff erinnert, von dem es ein Foto gibt, wie er, nur mit einer Sporthose bekleidet, schon in der Kabine eine Zigarette raucht.

Irgendwo schwingt immer ein schlechtes Gewissen mit, weshalb dem Geständnis eines Bundesligatrainers, der dringend darauf besteht, dass dies nicht publiziert wird, besondere Bedeutung zukommt. Er ist nämlich der Überzeugung, dass Rauchen leistungsfördernd für seine Spieler ist. Er selbst hatte als Aktiver bis zu zwei Schachteln am Tag geraucht, hat es inzwischen aufgegeben, würde aber sofort wieder anfangen, wenn er noch einmal Leistungssportler wäre. Denn, so ist seine These, die Gifte im Tabak würden positiv in den Nervenzellen wirken. Allerdings scheut der Mann noch die Konsequenz, seine Spieler schon beim Training eine anstecken zu lassen. Dabei würde man ihn gerne über den Trainingsplatz schreien hören: „Ihr pafft ja schon wieder, ich habe inhalieren gesagt.“

Dazu passt die Behauptung eines berühmten Basketballtrainers, der ebenfalls ungenannt bleiben muss. Der Mann verstieg sich gar dazu, er würde immer mindestens einen Raucher im Team haben wollen. Für ihn war Rauchen im Leistungssport jedoch eher Ausdruck von Eigensinn und Trotz, also von Charaktereigenschaften, die er sich von einigen Spielern wünscht. Im Fußball hat dafür einmal Mario Basler gestanden, doch der sitzt in Kaiserslautern auch nur noch auf der Bank – und wird demnächst sogar nach Katar in die Wüste transferiert. Was noch ein Grund ist, endlich aufzuhören und nicht Zeno-Cosini-gleich weiterhin letzte Zigaretten zu rauchen.

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