: Weißes Papier kein unbeschriebenes Blatt
Umweltorganisationen klären in NRW gegen den steigenden Papierkonsum auf. Gerade Schulen sollen Vorbild sein
BIELEFELD taz ■ Der zehnjährige Sascha hält einen 800 Gramm schweren Holzscheit in der Hand und ist überrascht: „Soviel Holz vernichtet jeder am Tag nur für Papier?“ Auch die Mitschüler seiner Klasse der Bielefelder Grundschule sind erstaunt, was ihnen zwei Biologinnen berichten. 225 Kilogramm Papier verbrauche jeder Deutsche pro Jahr, wissen Monika Nolle und Agnes Dieckmann von den Umweltgruppen „Ara“ und „Urgewald“. Und damit die Pennäler einen Eindruck von der Papierflut bekommen, haben sie unzählige weiße Hefte, Kartons, Werbeblätter und TetraPaks in die Mitte der Klasse gelegt.
Mit ihrem Projekt „Klassenzimmer Papier“ weisen Ara, Urgewald und acht weitere Umweltorganisationen seit zwei Jahren an Schulen in NRW auf den Weißpapierverbrauch und seine Folgen hin. Finanziert wird das vom Landesumweltministerium.
Besonders in Schulen, einst Vorreiter für den Gebrauch von Umweltpapier mit dem „Blauen Engel“, seien fast nur noch blütenweiße Hefte zu finden. „Vor zehn Jahren waren noch 70 Prozent aller Hefte aus Recyclingpapier, heute sind es gerade mal fünf bis zehn Prozent“, sagt Monika Nolle. „Wir sind weit entfernt vom papierlosen Büro. Jeder druckt e-mail auf weißem Papier aus, auch wenn es nur zwei Sätze sind“, ergänzt Dieckmann.
Die Folge des Papierkonsums sind massive Umweltprobleme in Nordeuropa, Kanada und Asien, warnt seit Jahren die Umweltorganisation „Robin Wood“. So werde auf der indonesischen Insel Sumatra, die noch vor 20 Jahren komplett bewaldet war, in zwei Jahren der gesamte Tieflandwald verschwunden sein, berichtet Peter Gerhard, Tropenwaldexperte der Organisation.
Brasilien gerät ebenso ins Visier der Branche. Aber dort regt sich bereits Widerstand. In den Bundesstaaten Espiritu Santo und Bahia, wo anderthalb Millionen Hektar Eukalyptus-Plantagen entstanden, laufen Kleinbauern- und Landlosenorganisationen Sturm gegen die Ausbreitung der schnell wachsenden Hölzer. „Der Anbau schädigt Böden und Grundwässer“, sagt der brasilianische Bauernvertreter Derli Casali. „Und viele Bauern, die Eukalyptus auf Anraten der Papierindustrie angebaut haben, sind verschuldet, weil es nicht den erhofften Erfolg brachte.“ Bei einer Europa-Rundreise hat Casali bei Papierfirmen und der Europäischen Investitionsbank, die Millionen schwere Kredite für den brasilianischen Zellstoffsektor gewähren will, protestiert. Die Umweltgruppen „Ara“ und „Urgewald“ unterstützen den Protest. Und sie setzen auf Überzeugungsarbeit. Neben dem „Klassenzimmer Papier“ wollen sie in drei Modellstädten unterschiedlicher Größe eine „Papierwende“ einläuten. In Münster wurden Großverbraucher von Papier an einen „Runden Tisch“ gerufen, um den Konsum zu verringern. Der Erfolg: Die Universität hat sich auf Umweltpapier verpflichtet. Nun steigen das sauerländische Brilon und die Stadt Köln in die „Papierwende“ ein. „Allerdings“, macht Agnes Dieckmann deutlich, „reicht es nicht, nur Altpapier zu nutzen. Wir müssen unseren Papierverbrauch insgesamt reduzieren.“
UWE POLLMANN
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