nebensachen aus rom
: Italienische Politiker verhelfen den Bewohnern der Hauptstadt zu einer perfekten Parallelwelt

Regieren im Konjunktiv

Römer haben es gut. In ihrer antiken Stadt genießen sie das Vergnügen, höchst modern regiert zu werden, von Kommune, Provinz und Region, die laufend in edlem Wettstreit neue bürgerfreundliche Projekte aushecken. „Wir tun was“ – diese wärmende Botschaft der Regierenden kommt jeden Morgen rüber, bei der Lektüre der Lokalseiten.

Eine neue städtische Wohnungsagentur macht den privaten Maklern Konkurrenz und sorgt dafür, dass ich billigen Wohnraum finde. Auf der Hauptstraße ums Eck müsste schon die U-Bahn-Baustelle eingerichtet sein; demnächst komme ich in zehn Minuten ins Stadtzentrum. Bis es so weit ist, muss ich mich trotzdem nicht sorgen. Die Kommune hat nämlich neue Sammeltaxis eingeführt; mit bloß drei Euro bin ich dabei. Noch billiger ist der Bus; der müsste schon auf der neuen, vor ein paar Monaten angekündigten Sonderspur zum Ziel rauschen.

Und so geht das Fest weiter beim Blättern in der Tageszeitung. Hier ein Projekt für Behinderte, da vom Bezirksrat geförderte Spielgruppen für die ganz Kleinen, dort die Rundumüberholung aller Parks im Viertel. Flötend und gut gelaunt macht sich der Römer dann auf die Socken, in der Gewissheit, privilegierter Bürger einer Avantgarde-Stadt zu sein. Schade bloß, dass der Bus wieder im Stau steht – von der Sonderspur ist nichts zu sehen. Genauso wenig wie von der U-Bahn-Baustelle oder von den längst wieder abgeschafften Sammeltaxis. Da braucht's dann doch eine zentral gelegene Bleibe; leider aber ist die Wohnungsagentur geschlossen, hat sie nach ein paar Monaten ihre Dienste eingestellt.

Es war nicht bös gemeint von den Politikern. Die U-Bahn-Linie ist im Genehmigungsdschungel verloren gegangen, die Busspur in den Protesten der um Parkplätze fürchtenden Anwohner. Die Parks sind zwar schön hergerichtet, sehen aber wieder aus wie Sau, weil im Etat kein Posten für Instandhaltung existiert.

Was also tun als Regierender? Wie sich für Bürgerinteressen stark machen und, ganz nebenher, um Wählerstimmen buhlen? Regieren im Konjunktiv, lautet die römische Lösung, mit wenn und wäre und ich hätt' schon gern … Die reale Stadt bleibt, wie sie ist, doch vorm inneren Auge der Bewohner entsteht die perfekte Parallelwelt. Da gibt's dann Sachen, fast wie im Kommunismus.

Pünktlich zum Wahlkampf hat jetzt der rechte Provinzpräsident für Schüler den Reparaturservice eingeführt, total gratis und vor Ort, wenn ihr Mofa schlappmacht. Natürlich erst mal „experimentell“, befristet auf drei Monate. Auf gut Römisch: Ab Juni – dann sind die Wahlen gelaufen – wird das kaputte Zweirad wieder geschoben. Aber was will man eigentlich mit Mofas? Demnächst kommt ja die neue U-Bahn-Linie … MICHAEL BRAUN