piwik no script img

Der unterschätzte Diplomat

Der Zweitligist FC Union Berlin sammelt kräftig Punkte gegen den Abstieg und gewinnt sogar mal wieder auswärts. Zudem sorgt Trainer Mirko Votava für versöhnliche Töne. Ob er aber nach Saisonende bleiben darf, ist weiter offen

Er wurde ja oft kritisiert und womöglich unterschätzt. Doch in diesen Tagen zeigt Trainer Mirko Votava seinen Wert für den 1. FC Union Berlin. Dabei geht es nicht nur um jene zehn Punkte aus den letzten vier Spielen oder den ersten Auswärtssieg nach 254 Tagen (2:0 beim VfB Lübeck) – das sind nur nackte Zahlen. Votava hat sich jetzt auch als Diplomat versucht und einen beachtlichen Erfolg errungen, der auf Dauer wertvoller sein könnte als die Tatsache, dass Union in der zweiten Bundesliga nunmehr erstmals seit Anfang Dezember der Abstiegszone entrückt ist.

In dieser Woche wird Kapitän Steffen Baumgart vermutlich seinen Vertrag verlängern. Der Trainer hat sich in den scheinbar hoffnungslosen Streit zwischen Baumgarts Berater Jörg Neubauer und der Köpenicker Vereinsführung eingeschaltet und überraschend verhärtete Fronten aufgebrochen. „Herr Votava ist der Einzige, dem es bei dem Verein wirklich um Union geht. Mit dem Mann kann man vernünftig reden“, sagt Neubauer versöhnlich und kündigte ein weiteres Gespräch über Vertragsinhalte für Ende dieser Woche an: „Da könnte dann schnell die Entscheidung fallen.“

Bis dahin soll der Deutsche Fußball-Bund auch erklärt haben, ob Tony Päffgen als sportlicher Berater des Vereins und Spielerberater in Personalunion gegen die Verbandsstatuten verstößt. Derzeit hat es den Anschein. Sollte der DFB jedoch zu einer anderen Ansicht kommen und Päffgen legitimieren, werde er sich mit dem Kollegen an einen Tisch setzen, sagt Neubauer, der dies bislang abgelehnt hat. Im anderen Fall aber werde er zumindest „das Angebot des Vereins entgegennehmen“ und dann gemeinsam mit Baumgart entscheiden. Offerten soll es dann auch für Neubauers andere Klienten Michael Molata und Jan Sandmann geben. Union möchte alle drei halten – wenn der Preis stimmt.

Versöhnlichere Töne in Köpenick. Das gilt auch in der Trainerfrage. Noch während der Heimfahrt von Lübeck in sein Haus nach Ostfriesland instruierte Präsident Jürgen Schlebrowski telefonisch Unions Medienbeauftragten Lars Töffling, beim Deutschen Sport-Fernsehen (DSF) gegen die Berichtserstattung aus dem Stadion an der Lohmühle zu protestieren. Ein Interview mit dem Vereinschef sei „merkwürdig zusammengeschnitten“ und kommentiert worden, sagte Töffling. Schlebrowskis Satz, „es gibt keine Trainerdiskussion momentan“, hatten die Fernsehmacher als Indiz gewertet, dass die Vereinsführung weiter nur darauf warte, einen Grund für die Entlassung des Trainers zu finden.

„Das ist Unsinn. Die Mannschaft hängt sich voll rein, der Trainer ist engagiert, wir siegen – es gibt gar keinen Gesprächsbedarf zu dem Thema“, verkündete Töffling und erklärte die Position Votavas für gesichert. Doch er fügte auch hinzu: „Das bedeutet nicht, dass der Trainer einen Persilschein hat.“

Union verzichtet also auch weiterhin auf eine Erklärung, wonach der 47-Jährige bis Saisonende definitiv im Amt bleibe. Über den 23. Mai hinaus gibt es derweil bereits Spekulationen, die durch Aussagen aus dem Aufsichtsrat genährt werden: Dass beide Seiten dann trotz Vertrages bis Juni 2005 einvernehmlich auseinander gehen und Union einen Trainer (im Gespräch sind Hermann Andreev und Frank Wormuth) präsentiert, der perspektivisch mehr Spielkultur vermittelt. Doch wer weiß, vielleicht zeigt Votava auch in dieser Hinsicht in den verbleibenden elf Partien noch ungeahnte Qualitäten …

Einstweilen ist jedenfalls die Erleichterung spürbar. Der Coach lief nach dem Sieg zum Fanblock und klatschte jene ab, die ihn noch kürzlich ausgebuht hatten. „Ich bin stolz auf meine Truppe, die immer besser zusammenfindet. Die Mannschaft und ich wollen ernten, was wir gesät haben“, sagte er: „Alles andere stoße ich weit von mir.“ Schlebrowski formulierte es so: „Hätten wir mit einem anderen Trainer mehr Punkte holen können?“ Kein Treueschwur, aber ein Lob. Wächst doch noch zusammen, was lange nicht zu passen schien? MATTHIAS WOLF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen