: Besser, schneller, weniger lernen
Das Abitur nach zwölf Jahren kommt: Landesregierung beschließt Schulzeitverkürzung. Lehrpläne werden entrümpelt. Lob von Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden – und sogar von der Opposition
AUS DÜSSELDORF ANDREAS WYPUTTA
Seit gestern ist es offiziell: Nordrhein-Westfalen führt das Abitur nach zwölf Jahren ein. Vom Schuljahr 2005/2006 werde der Unterricht ab der fünften Klasse ausgeweitet, kündigten Ministerpräsident Peer Steinbrück und NRW-Schulministerin Ute Schäfer (beide SPD) an. Damit wird 2013 der erste Jahrgang bereits nach zwölf Jahren Abitur machen können. Für heutige Abiturienten ändert sich nichts.
Die Landesregierung will jungen Menschen einen früheren Berufseinstieg ermöglichen – und so die Sozialsysteme durch längere Beitragszahlungen entlasten: „Wir müssen nicht über ein höheres Renteneinstiegsalter, sondern über einen früheren Berufseintritt diskutieren“, betonte Steinbrück. Haupt- und Realschüler sollen dabei nicht benachteiligt werden: In der Sekundarstufe I wird mehr Unterricht erteilt – die Zahl der insgesamt zu unterrichtenden Wochenstunden steigt von heute 179 auf 188. In der künftig nur noch zweijährigen gymnasialen Oberstufe werden bis zu zehn Stunden mehr unterrichtet. Dennoch sinkt hier die Zahl des Gesamtunterrichts von derzeit 272 auf 260 Jahreswochenstunden – und damit auf die von der Kultusministerkonferenz verlangte Untergrenze. Dazu sollen die Lerninhalte „überprüft“ und so entrümpelt werden, so Schulministerin Schäfer. Für Haupt- und Realschüler, die nach der zehnten Klasse an Gymnasien wechseln, soll ein optionales „Förderjahr“, also das Abitur nach 13 Jahren, erhalten bleiben. „Wir müssen mehr Menschen zum Abitur bringen.“
Vorausgegangen waren neunmonatige kabinettsinterne Diskussionen „besonders mit dem Finanzminister“, sagte der Ministerpräsident. Durch die geplante Unterrichtsausweitung werden bis 2013 über 3.400 Lehrer mehr benötigt als bisher geplant. Erst mit Ende der parallel weiterlaufenden 13-jährigen Abiturlaufbahn sinkt die Zahl der zusätzlichen Lehrer auf rund 1.400.
Gewerkschaften und Grüne lobten die Vorlage als „richtigen Ansatz“ – besonders die Gewerkschaften hatten in der Vergangenheit befürchtet, eine Verkürzung der gymnasialen Oberstufe lasse insbesondere Haupt- und Realschüler chancenlos zurück. „Angesichts der Schulleistungsstudien IGLU und PISA ist der Reformbedarf der Sekundarstufe I unverkennbar“, meinte der Vorsitzende des DGB-Bezirks NRW, Walter Haas.
Verhaltenes Lob kam auch von Wirtschaftsverbänden und Opposition: Die Schulzeitverkürzung sei ein „Schritt in die richtige Richtung“, so CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers. Die FDP gab sich noch radikaler – ihr Bildungsexperte Ralf Witzel regte eine Schulzeitverkürzung auf neun Jahre an Haupt- und Realschulen an: „Praktisch begabte sollten die Möglichkeit haben, darauf zu verzichten.“
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