DIE NEUE PARTEI BLICKT AUF SCHILL, GYSI, MÖLLEMANN UND LAFONTAINE: Projekt 18 mit links
Klein ist der Kreis, der sich letzte Woche zusammenfand, um die Gründung einer linken Partei vorzubereiten. Dreißig Aktivisten halten, wie sie sagen, eine soziale wahlpolitische Alternative zur Regierungspolitik für notwendig. Groß ist der Erfolg, den sie vor Augen haben: Auf zwanzig Prozent schätzen sie das Potenzial „aktiver NichtwählerInnen“, die sich von der Politik der Agenda 2010 getäuscht fühlen. Und noch größer ist die Zahl derer, die sie vertreten: Es ist immerhin die „der Mehrheit der Bevölkerung“, in deren Interesse der „unverzichtbare Politikwechsel“ liege. Am allergrößten ist jedoch die spekulative Blase, die von der Initiative aufgepumpt wird.
Analyse und Anmutung dieser „Wahlalternative“ gemahnen an die Altmeister der Heiße-Luft-Produktion. Das Lamento über die Demontage sozialer Errungenschaften durch die rot-grüne Regierung, der fürsorglich verlogene Verweis auf Wahlergebnisse und Mitgliederentwicklung der SPD fand sich schon in jenen bündnispolitischen Häppchen, mit denen Gregor Gysi seinerzeit westdeutschen Altlinken und Gewerkschaftern die PDS schmackhaft machen wollte. Sie haben sich für beide Seiten als nicht sehr nahrhaft erwiesen. Das wird jetzt auch nicht anders sein, da doch die einzig wahre sozialistische Kraft selbst in ihrem ostdeutschen Stammgebiet schwindet – trotz „herrschender Regierungspolitik“. Wobei noch die Frage beantwortet werden möge, welche Regierungspolitik eigentlich keine herrschende ist.
Statt sich vom Zustand des realen Sozialismus ernüchtern zu lassen, halten es die Parteigründer in spe wie seinerzeit Jürgen Möllemann mit der FDP: Wo nichts ist, ist nichts unmöglich. Schon immer ließen sich mit der Unzufriedenheit des Volkes die weitreichendsten Ansprüche behaupten. Möllemanns „Projekt 18“ war gestrickt für den legendären kleinen Mann, der immer will und niemals kann. Und wenn schon der beeindruckte Blick auf die Wählerpotenziale eines Ronald Schill fällt, schrecken auch dessen Methoden nicht mehr. Populismus mit links, auch dafür fände sich ein Altmeister, der Pate stünde. Die Wahlinitiative kann Oskar Lafontaine wöchentlich im Fachblatt Bild studieren. DIETER RULFF
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