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„Energie wird weiter Hoffnung geben“

Die Oberbürgermeisterin von Cottbus, Karin Rätzel, über den Stolz, drei Jahre in der Bundesliga gespielt zu haben

taz: Frau Rätzel, noch zweimal Bundesliga, dann ist Cottbus endgültig zweitklassig. Welche Bedeutung hat das für Ihre Stadt und die Bürger?

Karin Rätzel: Nun ja, wir sind ja auch weiterhin in der Bundesliga, wenn auch in der Zweiten. Auf diese Tatsache legen wir gesteigerten Wert, weil die Zweite Bundesliga für eine Stadt aus der Region, in der wir uns befinden, auch schon was ist.

Die Fans werden das anders sehen.

Nein, das tun sie nicht. Die Stimmung bei der großen Mehrzahl der Menschen hier, auch bei den Fans, ist so, dass wir vor drei Jahren wirklich überrascht waren, überhaupt aufgestiegen zu sein. Damals hat niemand geglaubt, dass wir uns auch nur ein Jahr da oben würden halten können. Jetzt sind es sogar drei geworden.

Um so bitterer macht das doch nun den Abstieg.

Wieso denn? Wir haben in unserer Region eben nicht die besten Voraussetzungen für die Erste Liga, auch wirtschaftlich nicht. Da können wir uns noch lange nicht mit gestandenen Vereinen messen. Und dennoch haben wir drei Jahre lang gegen die spielen dürfen. Gegen Bayern. Gegen Dortmund. Gegen Schalke. Das ist ein klares Zeichen, dass in Cottbus das Beste gegeben wurde. Darauf kommt es an. Und deshalb ist die Zweite Bundesliga für uns keine Katastrophe.

Wirklich nicht?

Nein, wirklich nicht. Vorausgesetzt, dass das so genannte Durchrutschen in die nächsttiefere Klasse verhindert werden kann. Wie mir Fachleute gesagt haben, ist es für manchen Absteiger ja sehr schwer, sich anschließend in der Zweiten Bundesliga zu behaupten. Ich gehe aber davon aus, dass Energie die dazu nötigen Voraussetzungen schaffen kann. Wir haben hier schon so viele Wunder vollbracht, da werden wir das schon auch noch hinkriegen.

Das klingt ganz so, als überwiege der Stolz auf drei Jahre Bundesliga die Enttäuschung des Abstiegs.

Genau so ist es. Zur Bundesliga gehört es nun mal dazu, dass am Ende Mannschaften absteigen müssen, dieses Schicksal trifft uns ja nicht allein. Das ist Sport und wird Sport bleiben. Das Leben in Cottbus aber wird weitergehen, auch in der Zweiten Liga. Und wir haben sogar neue Hoffnung dazugewonnen.

Welche Hoffnung?

Dass uns der Aufstieg in die erste Liga noch mal glücken könnte; das war die letzten drei Jahre ja nicht möglich.

Dann ist es nicht so, dass mit Energie eine ganze Stadt mit all ihren Bürgern absteigt und sich jetzt zweitklassig fühlen muss?

Nein, damit würden Sie ja alle Städte, die in der Zweiten Liga kicken, abwerten. Es ist vielmehr so, dass Fußball und der FC Energie unsere Stadt bekannt gemacht haben wie kein anderes Ereignis. Und dieser Bekanntheitsgrad geht ja nicht verloren, nur weil wir jetzt absteigen. Viel größer ist da schon der Kampf ums wirtschaftliche Überleben, zumal die Vereine im Osten ja nicht auf Rosen gebettet sind. Für einen etablierten Westverein mag so ein Abstieg ein schmerzhafter Einschnitt sein, bei uns beginnt mit ihm der Kampf ums Überleben.

Wie sehr haben Energie und die Bundesliga die Menschen abgelenkt von den Sorgen und Nöten des Alltags, die in Cottbus ja nicht wenige sind, es sei nur an die 19,1 Prozent Arbeitslosigkeit erinnert?

Klar haben wir Probleme. Aber auch nicht mehr als beispielswesie im Ruhrgebiet. Durch den Abstieg wird sich daran nichts ändern, ganz im Gegenteil: Die Menschen werden weiter ins Fußballstadion gehen. Energie wird weiter Hoffnung geben.

Was bedeutet der Abstieg wirtschaftlich für die Stadt?

Das lässt sich schwer bemessen. Auf keinen Fall aber wird er Arbeitsplätze kosten. Im Prinzip haben wir ja nächste Saison den selben Aufwand zu bewältigen – nur eben eine Klasse tiefer.

In Leipzig sieht man es als großes Signal des Aufschwungs, sich für die Olympia 2012 bewerben zu dürfen, in Magdeburg nimmt man die Erfolge im Handball als Zeichen, dass man es auch als ostdeutsche Region mit den Weltbesten aufnehmen kann. Als was muss man den Abstieg von Energie werten?

Als Aufruf zum Kampf trotz alledem.

Frau Rätzel, drei Jahre Bundesliga – was bleibt?

Stolz auf das Erreichte – und Optimismus für die Zukunft.

INTERVIEW: FRANK KETTERER

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