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Nie mehr Zweite Liga, nie mehr, nie mehr...

Energie Cottbus und den 1. FC Nürnberg hat es bereits erwischt, ein dritter Absteiger aus der Fußball-Bundesliga muss hingegen noch ermittelt werden. Da auch die Berichterstatter immer mit absteigen, schreiben die betroffenen taz-Korrespondenten, warum ihre Mannschaft besser nicht dabei sein sollte

Gladbach

Gladbach? Absteigen? Forssell bewahre! An Birgit verlöre ich eine Tafel Schokolade (100 gr, Zartbitter, kühlschrankkalt). Pascal machte mit der aufreizenden Gehässigkeit eines 16-Jährigen eine imaginäre Dose Mitleid auf. Und meine Mutter geriete, wie 1999 schon einmal, vermutlich in Versuchung, mich mit dem schlimmsten aller schlimmen Sätze trösten zu wollen: „Dann suchst du dir halt eine andere Lieblingsmannschaft.“ Will ich aber nicht. Ich trage trotz Ruhrgebiets-Sozialisation die Aufstellung der 1970er-Meistermannschaft im Hirn und das Borussen-B am Revers. Mir verdürbe ein Abstieg das Wochenende, den Sommer, das ganze Jahr. Der Borussia zerstörte er die ehrgeizigen Pläne für die Zukunft. Fußballfans in der ganzen Republik aber brächte er um ein einzigartiges Erlebnis: die Atmosphäre am Bökelberg. Das steilste, geilste und am wenigsten heilste Fußballstadion der Republik soll schließlich in seine letzte Saison gehen. Der Bökelberg hat seit seiner Eröffnung 1919 Pyramidenturner purzeln, Boninsegna sterben, Pfosten brechen, Blondschöpfe aus der Tiefe des Raumes kommen und Olli Kahn im Kastanienhagel k.o. gehen sehen. Ein Jahr vor der Zeit nun plötzlich ihr Erstligaleben aushauchen zu müssen – das hat „de Kull“ nicht verdient. HOLGER JENRICH

Spielt noch gegen: Hannover 96 (A), Werder Bremen (H)

Leverkusen

Darf man einem Klub und einer Stadt wie Leverkusen überhaupt den Klassenerhalt wünschen? Man darf – zumindest seit die Werkskicker ganz Europa mit ihren Kurzpässen schwindelig gespielt haben. Leider ist diese Phase seit exakt einem Jahr beendet. Journalistisch reizvoller wäre es deshalb, Klub samt Volkstribun Calli in die 2. Liga zu begleiten. Das wundersame Schauspiel von Aufstieg und Fall einer Fußballelf klingt viel schöner, wenn sich der Absturz möglichst radikal gestaltet. Erst dann wird’s historisch. Zugegeben: Es war unterhaltsam die letzten zwei Jahre. Famose Spiele, dazu Toppmöller, diese sozialromantische Ausgabe eines Trainers. Doch Toppi war irgendwann weg, Hörster plötzlich da, zwischendurch kam ein Fußballgott – und nun auch noch Auge. Was zu schreiben gab es eigentlich immer; ohne Leverkusen wäre die Liga ärmer gewesen. Die Zuschauer aber blieben stets abstiegswürdig und verhalten sich immer noch so, als seien sie Probanden einer groß angelegten Versuchsreihe mit Tranquilizern. Selbst über ihre seltenen Wutausbrüche musste man schmunzeln, als sie mit Brötchen (!) nach ihren Idolen warfen. Allein Lucio würde man eine Träne nachweinen. Weil in seinen Alleingängen etwas Naturgewaltiges liegt, etwas Einzigartiges. ERIK EGGERS

Spielt noch gegen: 1860 München (H), 1. FC Nürnberg (A)

Rostock

Können sie ein Foto von uns machen?“, fragte mich nach dem Hertha-Spiel ein Mann. Er trug ein zu enges Hansa-Trikot, das seines Sohnes schlingerte dagegen bis um dessen Kniekehlen. Rostock hatte mal wieder verloren. „Aber natürlich“, sagte ich. Vater und Sohn richteten sich vor dem Steinklotz aus, in den „Ostseestadion“ eingemeißelt ist. Die beiden kamen aus Jena. Um Hansa zu sehen. „Wo geht es denn zum Wasser“, fragten sie jetzt. „Die Ostsee?“, stutzte ich. „Ja, ja.“ Sie zogen nach acht an den Strand – Hansa, Ostsee und zurück. Hansa darf nicht absteigen, der Steinklotz nicht zum Grabstein des Ostseestadions werden. Wo sollen sie denn hin am Samstagnachmittag, die Leute aus Rostock, Rügen, Vorpommern, Brandenburg und Jena eben? Was wären das für Samstage, wenn keine Autokolonnen mehr mit aus den Fenstern winkenden Hansa-Stricksachen in die Stadt einfielen? Hansa darf nicht absteigen, weil sonst mein Albtraum wahr würde. Ein Samstag, an dem nur noch Sehenswürdigkeiten würdigende Goretex-Jacken-Duos durch die Stadt wackeln. Menschen Stadtpläne tragen und keine Bierdosen, Videokameras statt Tröten. Dann fragt mich ein Ehepaar aus Burghausen, wo das Ostseestadion ist, und ich wache schweißgebadet auf. DIRK BÖTTCHER

Spielt noch gegen: Arminia Bielefeld (H), Hamburger SV (A)

Hannover

Warum Hannover 96 nicht absteigen darf? Ganz einfach: Weil ich … Nein. Bei so komplexen und existenziellen Fragen wie die nach den Absteigern aus der Bundesliga geht es nicht um den Einzelnen. Sondern einzig und allein um den Verein (und seine „Sales & Services GmbH“), um die Fans, die (vergleichsweise sehr andere) Mannschaft und ihren (für hannoversche Verhältnisse altgedienten) Trainer. Es geht also nicht um mich, auch wenn Kurt Scheel, ehemals Mittelläufer beim FTSV Altenwerder, am Abend des 11. Mai 2003 den Antrag stellte, diesen Tag als „Zur Nedden sein Glückstach“ in die Annalen der jüngeren deutschen Sportgeschichte aufzunehmen, weil innerhalb weniger Stunden der Aufstieg des SC Freiburg vollbracht ward und der Klassenerhalt von Hannover 96 so gut wie. Noch So-gut-wie – aber es wird. Ganz sicher. Allein deshalb, weil 96 immerhin seit 1989 nicht aus der Ersten Liga abgestiegen ist. Sie waren nicht drin. Am Klassenerhalt diesmal hat bis auf einige namentlich bekannte Kollegen niemand je gezweifelt. Deshalb wird man auch in der nächsten Saison meist ansehnlichen, ja Begeisterung entfachenden Spielen beiwohnen, die zuweilen in den letzten Minuten verloren gehen, auf dass wir nicht hochmütig werden.

DIETRICH ZUR NEDDEN

Spielt noch gegen: Bor. Mönchengladbach (H), Arminia Bielefeld (A)

Bielefeld

Seien wir ehrlich: Sollte Arminia Bielefeld zum sechsten Mal aus der Bundesliga absteigen, wird das außerhalb Ostwestfalens keinen groß kümmern. Arminia gilt den meisten als Verein ohne Eigenschaften. Nürnberg und Mönchengladbach können wenigstens auf eine gloriose Vergangenheit verweisen, Leverkusen erlebt eine Tragödie von shakespeareschen Ausmaßen, Hannover spielt schönen Fußball, Rostock und Cottbus haben den Ostbonus, und wenn Kaiserslautern geht, stirbt eine ganze Region. Aber Bielefeld? Dennoch sollte man für Arminia einen kleinen Platz im Herzen reservieren. In der künstlich glitzernden Bundesligawelt ist dieser Klub eine wohltuende Bastion der Mittelmäßigkeit, obgleich eine mit bewundernswerten Comeback-Qualitäten: Wo manch anderer Verein nach dem Erstligaabstieg in den Niederungen des Amateurfußballs verschwand, kommen die Bielefelder immer wieder zurück, ob der Rest der Republik es nun will oder nicht. Diesem zähen Ringen bei der Arbeit zusehen zu dürfen, sollte auch in Zukunft eine von achtzehn Planstellen in der Liga wert sein, was für die Fans der Konkurrenz überdies den Vorteil hätte, einen vermeintlich sicheren Absteiger tippen zu können. Und sich nachher ganz schön zu wundern. JENS KIRSCHNECK

Spielt noch gegen: Hansa Rostock (A), Hannover 96 (H)

Kaiserslautern

Nein, bitte nicht schon wieder jammern, so wie 1996, als vor dem Abstieg in der Pfalz und drum herum der Teufel an die Wand gemalt wurde! Von wegen Weltuntergang auf dem Betzenberg, wo künftig Gänseblümchen wachsen und Würstchenverkäufer Pleite gehen sollten. Damals wurde lamentiert über die Drei-Punkte-Regel, die den Roten Teufeln zum Verhängnis geworden sei, aber nur, weil sie zu dämlich waren zu gewinnen anstatt immerzu Unentschieden zu spielen. Dieses Mal hätten sie den Abstieg wahrlich verdient, weil sie in der Hinrunde so schlecht gespielt und Vorstände und Aufsichtsräte so arg geschludert haben, dass der Sanierer Jäggi vor lauter Sorgen kaum noch schlafen konnte und Trainer Erik Gerets’ Haarschopf noch grauer wurde, als er bei seiner Ankunft schon war. Kaiserslautern hatte diese Saison einfach alles an Skandalen zu bieten. Doch dann sorgten Jäggi und Gerets dafür, dass die lahmen Teufel wieder Feuer fingen und die erkaltete Hölle Betzenberg wieder unbezwingbar wurde. Jäggi, Gerets und die Mannschaft haben sich gewehrt gegen den Absturz in die Drittklassigkeit. Und weil sie sich so aufgebäumt hat, darf eine der besten Mannschaften der Rückrunde nicht absteigen. Obwohl der Verein es eigentlich verdient hätte.

GÜNTER ROHRBACHER-LIST

Spielt noch gegen Borussia Dortmund (H), Hertha BSC (A)

Links lesen, Rechts bekämpfen

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