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Rechtsstaatlich saubere Schikane

Im Fall des Flüchtlings John Agbolete zeigt sich Innensenator Thomas Röwekamp als Hardliner – an allen Fronten

Bremen taz ■ „Nicht gefühlte Werte, sondern Fakten sollen sprechen.“ Diese Worte schickte Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) seiner Rede in einer Aktuellen Stunde der Stadtbürgerschaft zum Fall des togoischen Flüchtlings John Agbolete vorweg. Diesem Anspruch wurde der Senator dann aber nicht gerecht – er geriet in Rage, holte zum Rundumschlag gegen Opposition, Gesundheitsamt und Kirchen aus.

Auslöser waren kritische Fragen von Grünen und SPD zum Umgang der Innenbehörde mit Agbolete. Zum einen war mit der Feststellung der Reisefähigkeit eines Asylbewerbers erstmals nicht das dafür geschulte Personal des Gesundheitsamtes, sondern ein Privatmediziner beauftragt worden. Zum anderen war Agbolete am 10. März verhaftet worden, obwohl, so der Grüne Matthias Güldner, das Verwaltungsgericht fünf Tage zuvor eine Duldung bewilligt habe. „Ich habe bis heute keine gute Begründung dafür gehört – es geht hier um Schikane.“ Dafür habe sich das Innenressort den falschen Fall ausgesucht, da er juristisch fragwürdig sei.

Demgegenüber sprach Röwekamp gebetsmühlenartig von einem „rechtsstaatlich sauberen Verfahren“. Der Fall Agbolete stünde nicht für eine neue Asylpolitik. „Vielmehr ist er ein Beispiel für die Unfähigkeit des Gesetzgebers auf Tricksereien der Asylbewerber zu reagieren“, giftete er. Auch den Kirchen las der „bekennede Christ“ (Röwekamp) die Leviten. Die Christusgemeinde in der Vahr hatte Agbolete Asyl gewährt. „Ich habe kein Verständnis, dass die Kirche sich hier als höhere Instanz fühlt.“ Die neue Praxis, einen Privatmediziner mit dem Gutachten über die Reisefähigkeit eines Flüchtlings zu beauftragen, verteidigte der Innensenator. Denn, so ließ er anklingen, das Gesundheitsamt sei gegenüber seiner Behörde voreingenommen. Ein Vorwurf, den Gesundheitsenatorin Karin Röpke (SPD) postwendend zurückwies.

Der Togoer John Agbolete befindet sich seit 2000 in Deutschland. Vor neun Tagen war er verhaftet worden, trotz rechtskräftiger Duldung. Diesen Status hatte ihm das Verwaltungsgericht zugesprochen, da es das Privatgutachten über seine Reisefähigkeit anzweifelte. hsc

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