: Blutige Eskalation im Kosovo
Bei den Unruhen in Mitrovica sterben 22 Menschen, über 500 werden verletzt. Die Nato schickt 350 zusätzliche Soldaten ins Kosovo. Unruhen halten an und weiten sich auch auf Serbien aus
PRIŠTINA/BRÜSSEL ap/afp ■ Mit einer Truppenverstärkung im Kosovo will die Nato die blutigen Unruhen zwischen Serben und Albanern in den Griff bekommen. 350 Mann wurden zusätzlich entsandt, wie das Bündnis gestern in Brüssel bekannt gab. Großbritannien kündigte weitere 750 Soldaten in den kommenden Tagen an. Die Ausschreitungen in der südserbischen Provinz hielten weiter an – und griffen auf serbische Städte jenseits des Kosovos über. Die Zahl der Todesopfer stieg auf 22.
Über 500 Menschen wurden bislang bei den schwersten Zusammenstößen im Kosovo seit dem Ende des Krieges 1999 verletzt, wie eine Sprecherin der UN-Polizeitruppen mitteilte. Nato-Sprecher James Shea erklärte, er glaube aber nicht, dass der Krieg wieder auflebe. „Wir tun, was nötig ist, um Recht und Ordnung wiederherzustellen. Insgesamt seien drei Kompanien der in Bosnien stationierten SFOR-Truppen ins Kosovo abbeordert worden, sagte eine Nato-Sprecherin. KFOR-Kommandeur Kammerhoff erklärte in Priština, er habe seine Untergebenen angewiesen, den Schutz der Bevölkerung und die Sicherheit der Soldaten notfalls „mit angemessener Gewalt“ durchzusetzen.
Im Laufe des Tages setzten sich die Proteste und Zusammenstöße mit Sicherheitskräften in der Hauptstadt fort. Auch in Nis ging eine Moschee in Flammen auf. In Novi Sad kam es ebenfalls zu Protesten. In Priština und anderen Kosovo-Gemeinden wurden mehrere hundert Serben aus ihren Wohnungen evakuiert. In Obilic westlich von Priština legten Brandstifter gestern in mehreren Häusern von Serben Feuer.
In Belgrad und weiteren Städten außerhalb des Kosovos gingen in der Nacht tausende Serben auf die Straßen. Sie verlangten besonderen Schutz für ihre ethnische Minderheit im hauptsächlich von muslimischen Albanern bewohnten Kosovo. Die Moschee der serbischen Hauptstadt wurde in Brand gesetzt. Vor der US-Botschaft kam es zu Straßenschlachten mit der Polizei.
Die internationale Gemeinschaft zeigte sich zutiefst besorgt über die möglichen Auswirkungen des Konflikts für den gesamten Balkan. Am späten Abend wollte der Weltsicherheitsrat die Entwicklung im Kosovo erörtern. Dazu wurde auch der Außenminister von Serbien-Montenegro, Goran Svilanović, erwartet. Die Sitzung war von Russland beantragt worden. Die Zusammenstöße könnten die gesamte Region destabilisieren, warnte das russische Außenministerium in Moskau. UN-Generalsekretär Kofi Annan rief zum Ende der Gewalt auf. Die irische EU-Ratspräsidentschaft erklärte, oberste Priorität habe jetzt die Wiederherstellung der Ruhe. Im taz-Interview äußerte sich der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, skeptisch über einen Abzug der UN-Polizei aus dem Kosovo: „Was die Polizei im Kosovo angeht, warne ich vor Bestrebungen, die UN-Polizei zu schnell zurückzufahren. Sie ist das Kernelement der Sicherheit im Lande.“
brennpunkt SEITE 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen