: Softe Lymphdrainage
Wie nach einem Steinchenwurf in einen stehenden See: „Dianogah“ aus Chicago haben der Überlastung der Sinne den Kampf angesagt. Das, wofür Chicago musikalisch einmal stand, findet bei ihnen eine Fortsetzung ins Bekannte
Mit kreisenden Bewegungen Entschlackungen herbeizuführen, die das Sinnessystem wieder zum Fließen bringen – das könnte der Auftrag sein, mit dem die Band Dianogah (sprich „Dye-ah-NO-gah“) aus Chicago derzeit durch Europa tourt.
Keine Ahnung, wie das zu der Musik von Bands wie Sebadoh oder Man Or Astro Man passte, mit denen sich die 1995 gegründete Band bereits die Bühne teilte. Jay Ryan und Jason Harvey mit ihren zwei einander umspielenden Bässen erzeugen klopfende Knäuel, die das Zentrum der Kontemplation nicht verlassen. Bei einigen Tracks steuert Jay einen spröden, monotonen Gesang dazu, der eine Wüste für sich ist. Schlagzeuger Kip McCabe bedient gelegentlich auch das Piano.
Ihr dritter Longplayer Millions Of Brazilians wurde von John McEntire produziert, der den „Chicago-Sound“ mitprägte und Bands wie Tortoise, The Sea And Cake und Bastro herausgebracht hat. Das Album, mit mehr E-Gitarre und Bass-Klarinette versehen, ist klanglich reicher und voller als der Vorgänger Battle Champions, den Steve Albini produzierte. Dort klingt es eher, als habe man beim Vorbild Tortoise die undynamischen, bruchlosen Stellen herausgefischt und die Seelenruhe neu erfunden. Dunkel und drahtig klingen ihre Stücke, die um kleine melodische Motive kreisen. Wie nach einem Steinchenwurf in einen stehenden See breiten sich die Themen aus, wachsen an, kommen zur Ruhe und verschwinden wieder.
So, wie sich die Band auf eine kleine Facette aus dem „Postrock“-Spektrum beschränkt, glaubt man kaum, dass sie aus den Staaten kommt. Das, wofür Chicago musikalisch einmal stand, findet bei Dianogah eine Fortsetzung ins Bekannte.
Im Vorprogramm spielen Gaston aus Berlin/Hamburg. Über das Bass-Bass-Schlagzeug-Trio schrieb Gregor Keßler: „Kom-plexität ist Trumpf. (...) Vielleicht ist das schon Prog-Rock ohne Matte?“ Carsten Klook
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