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SPD-Befindlichkeiten auf der Schiene

Kommt oder kommt sie nicht? Was hinter dem Geschacher um die ICE-Neubaustrecke Nürnberg–Erfurt steckt

BERLIN taz ■ Mit sinnvoller Verkehrspolitik hat das Milliardengrab nichts zu tun: Bei der aktuellen Auseinandersetzung über die ICE-Neubaustrecke von Nürnberg nach Erfurt geht es in erster Linie um die Befindlichkeit der SPD und die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen. Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte vor einigen Tagen angekündigt, sie zu streichen. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) konterte prompt, sie käme „selbstverständlich“.

Dafür gibt es gute Gründe: Beim letzten Urnengang war die SPD in Erfurt abgeschmiert – unter anderem, weil der damalige Bundesverkehrsminister Franz Müntefering den Stopp der ICE-Trasse intern angekündigt und die Landes-CDU das Thema genüsslich aufgegriffen hatte. Zurück auf die bundespolitische Tagesordnung kam die Hochgeschwindigkeitsstrecke dann durch die Kanzlerrede auf dem „Ostparteitag“ im Frühjahr 2002. Gerhard Schröder versprach den Ostgenossen gleich mehrere teure Verkehrsprojekte, darunter auch die ICE-Strecke Erfurt–Nürnberg. Nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2002 soll das 192 Kilometer lange Schienenstück 3,75 Milliarden Euro kosten. Interne Kalkulationen der DB gehen allerdings von mehreren Milliarden mehr aus. Das Projekt wird teuer durch zahlreiche Tunnel und Brücken, die durch den Thüringer Wald führen sollen.

Doch das Geld ist absehbar auf viele Jahre nicht da. Laut mittelfristiger Finanzplanung, die inzwischen den Parlamentariern im Verkehrsausschuss vorliegt, schrumpft der Etat für Schieneninfrastruktur kontinuierlich. Standen im Jahr 2003 noch 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung, so sind es in diesem Jahr aufgrund der fehlenden Mauteinnahmen nur noch 3,71 Milliarden. Im Jahr 2007 sollen es dann nicht einmal mehr drei Milliarden Euro sein. Allein die Instandhaltung des Netzes verschlingt aber schon etwa 2,5 Milliarden im Jahr. Weil der Ausbau der Strecke Hamburg–Berlin Konsens ist, bleibt für die Trasse Erfurt–Nürnberg nicht viel übrig.

Die DB wird kein Interesse haben, die knappen Mittel dort einzusetzen, wo ein Ende nicht absehbar ist. Andererseits wird die Bundesregierung darauf drängen, dass zumindest symbolisch einige Brücken gebaut werden, um den Fortgang der Arbeiten zu demonstrieren. Außerdem lässt sich nur so verhindern, dass die bereits erreichten Planfeststellungsbeschlüsse nach fünf Jahren verfallen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat unterdessen ein Gutachten über eine Alternativplanung in Auftrag gegeben. Das Ziel des Neubaus, nämlich die Fahrzeit zwischen Berlin und München auf unter vier Stunden zu drücken, ließe sich auch durch den Ausbau bestehender Strecken für ICE-Neigetechnikzüge erreichen. Die Kosten dafür: weniger als eine Milliarde Euro.

Der BUND kritisiert außerdem, dass die von der Bundesregierung geplante Trasse keinen Vorteil für die relativ dicht besiedelten Gebiete Ostthüringens und Westsachsens bringt, die nach Untersuchungen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung zu den am schlechtesten erreichbaren Gebieten der Republik zählen. Dabei leben in Jena, Gera, Zwickau, Chemnitz und Umgebung etwa zwei Millionen Menschen, während es in Erfurt nur eine halbe Million sind. Ein Ausbau des regionalen Schienennetzes käme viel mehr Menschen zugute. Die hat aber einen politisch entscheidenden Vorteil: Sie ist spektakulärer. ANNETTE JENSEN

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