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Kann die Definition „Schädling“ heute noch greifen? Das Rieck Haus widmet sich „ungebetenen Gästen“Mit Kastanien Bowling spielen

Mäuse und Ratten. Schön sauer eingelegt. „Aber nicht für diese Ausstellung getötet“, versichert Torkhild Hinrichsen, Hauptkustus im Altonaer Museum, der auch dessen Außenstelle, das Rieck Haus, betreut. Stattdessen seien die Tierpräparate eine Leihgabe von Hinrichsens Tochter. Sie sollen verdeutlichen, wer zu den „ungebetenen Gästen“ zählt, die der aktuellen Ausstellung ihren Titel gaben. Doch Hinrichsen meint, dass Bewohner alter Häuser schon etlichen Mäusen und Ratten begegnet seien und vielleicht sogar gehört haben müssten, wie die im Gebälk „mit Kastanien Bowling spielen“.

Insofern wartet in den Einmachgläsern des Rieck-Hauses auf den Besucher nicht unbedingt etwas Neues. Auch die „Anhänglichkeit“ von Fliege, Käfer und Laus an den Menschen lassen den Besucher vielleicht erschaudern, bringen aber keine neuen Erkenntnisse.

Hinrichsen erzählt noch, dass es in der Schau um als „schädlich“ definierte Tiere geht, und wie Menschen seit Jahrhunderten gegen sie angehen. Fallen aufzustellen ist bekanntlich seit jeher gang und gäbe. Ein Beispiel ist die hier präsentierte Lochmausfalle, bei der sich das Tier beim Durchbeißen eines Fadens selbst mit einer Drahtschlinge erdrosselt. „Saubere Angelegenheit“, wie Hinrichsen stolz betont.

Mag sein, aber warum werden neben den verschiedenen Modellen von Fallen auch gleich noch die ganzen Küchengeräte präsentiert, die von talentierten Fallenbauern hergestellt wurden? Mit Suppenkellen wurde doch wohl eher selten ein Nagetier zur Strecke gebracht. Hier wird also gleich eine ganze Kulturgeschichte der Mausefallenentwicklung gezeigt.

Bei der Lektüre der zugehörigen Texttafeln wird deutlich, dass mehrere der ehemals als „Plage“ empfundenen Tiere heute fast ausgestorben sind. Der Spatz zum Beispiel wurde viele Jahre gejagt, um im Jahr 2002 vom Naturschutzbund besorgt zum „Vogel des Jahres“ erklärt zu werden. Hinrichen betont, dass das Aussterben nichts mit einer gezielten „Ausrottung“ des Vogels, sondern mit seinen veränderten Lebensbedingungen aufgrund veränderter Ernteverfahren zu tun habe.

Auch mit Anekdoten zu anderen „Schädlingen“ kann Hinrichsen aufwarten. So erzählt er von dem aus Amerika stammenden Kartoffelkäfer, der durch Schiffsexporte nach Europa kam. 1938 warnte eine Hamburger Broschüre gar vor dem „Einmarsch des Feindes“ aus Frankreich – und damit war durchaus der Käfer gemeint.

Offen bleibt nach dem Ausstellungsrundgang die Frage nach der „Moral von der Geschicht“. Beeinhaltet die zweifellos liebevoll gestaltete Präsentation eine Aufforderung zum Umdenken im Umgang mit „ungebetenen Gästen“? Die Fallensammlung spricht eigentlich dagegen. Oder geht es vielleicht um mehr? Hinrichsen wünscht sich jedenfalls, das betont er zum Schluss, ein grundsätzlich verantwortungsbewussteres Handeln des Menschen im Umgang mit der Natur. Maren Albertsen

„Ungebetene Gäste“ – Von Spatzen, Fliegen und Mäusen: Di–So 10–17 Uhr, Rieck-Haus, Curslacker Deich 284; bis 31.10.

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