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Zebras auf Jagd

Kiels rekordgeschwellte Brust soll der SG Flensburg vor dem entscheidenden Spiel um die Meisterschaft gehörig Respekt einflößen

von OKE GÖTTLICH

Flensburg hat es selbst in der Hand. Oder anders gesagt, bereits eine Hand an der Schale, die dem deutschen Handball-Meister am 23. Mai übergeben wird. Genau das hat der Zweite THW (46:10 Punkte, +176 Tore) beim Tabellenführer aus Flensburg (48:8, +186) als Problem ausgemacht. Denn sollte Deutschlands ewiger Zweiter aus Flensburg sein heutiges Heimspiel gegen den ärgsten Konkurrenten gewinnen, „haben wir sehr gute Chancen“, sagt ihr Coach Kent-Harry Andersson, ergänzt aber gleich: „Wenn Kiel gewinnt, wird der THW Meister.“

Die Flensburger waren noch nie deutscher Meister und würden für diesen Titel sogar das Endspiel um die Champions League, in dem sie ebenfalls stehen, hergeben. „Ich glaube, Flensburg wünscht sich die Meisterschaft“, sagte Andersson unlängst auf die Frage, welcher Titel wichtiger sei. Ginge es nach dem Rekordmeister aus Kiel, könnten die Flensburger noch lange Jahre die Meisterschaft auf ihren Wunschzettel schreiben. Der THW legt deswegen geschickte psychologische Störfeuer, um den vermeintlichen Meisterschaftsnovizen zu verunsichern.

Mit jedem Sieg, der die Kieler näher an die lange von Flensburg allein dominierte Tabellenspitze brachte, wurde verbal nachgelegt. „Auf dem zweiten Tabellenplatz liegen wir natürlich in einer guten Position. Eigentlich ist es optimal, jetzt in Flensburg zu spielen“, sagt der Kieler Demetrio Lozano und ist damit noch einer der Verhaltensten. Abwehrchef Klaus Dieter Petersen ist da schon forscher: „Wir werden gewinnen, da wir momentan einfach gut drauf sind und nicht mit der Tradition der letzten Jahre brechen wollen, zum Ende der Saison kein Spiel mehr zu verlieren.“ Bumm, eine direkte Anspielung auf die zahlreichen Male in denen Flensburg aussichtsreich auf die Meisterschale schielte, aber zum Ende immer das Nachsehen hatte.

Aber auch sportlich präsentiert sich Kiel Respekt einflößend. Am Mittwoch besiegten die Zebras Pfullingen mit 48:25 und stellten damit einen neuen Torrekord in der Liga auf. In einer Art, die Pfullingens Trainer Rolf Brack von einer „Geburtsstunde einer neuen Art von Handball“ schwärmen ließ.

Flensburgs Trainer Andersson fand die Vorstellung der Pfullinger in Kiel nur „peinlich“. Er ärgerte sich darüber, dass Pfullingen so wenig Gegenwehr zeigte. Eine Gefühlsregung, die so gar nicht zum kühlen Trainer passt.

Als Zeichen der Nervosität will dies in Flensburg aber niemand interpretieren. Immerhin gewann die SG die letzten vier Duelle gegen die Zebras. Am überzeugtesten ist Flensburgs Spielmacher Joachim Boldsen von einem Sieg seines Teams: „Die Kieler wissen, dass sie in Flensburg nicht gewinnen werden. Da können sie sagen, was sie wollen. Deswegen werden wir Meister.“

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