Wochenübersicht: Bühne: Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Aus den Theaterspielplänen dieser Woche blickt uns die Welt mal wieder mit ausgesprochen finsterer Miene an. Terror, Tod und Entfremdung sind die Themen, mit denen sich aktuelle Theaterproduktionen befassen. Eine Bombendrohung steht am Anfang des preisgekrönten Dramas der russischen Brüder Oleg und Wladimir Presnjokow mit dem zeitgemäßen Titel „Terrorismus“, das Freitag am Maxim-Gorki-Theater Premiere hat. Ein Mann wird in einen Gewaltalbtraum geschickt, der sich zu einem Panorama des ganz alltäglichen Terrors auswächst. Sandrine Hutinet inszeniert die deutsche Erstaufführung. Am BE geht Georg Tabori in seinem neuen Stück dem Phänomen der Hinrichtung in verschiedenen Gesellschaften nach. Als passender historischer Exkurs dazu lässt sich vielleicht Heiner Müllers „Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei“ verstehen. Unter anderem geht es um die traurige Geschichte Friedrichs des Großen, der weder Soldat noch König werden wollte und später andere für die Gewalt bezahlen ließ, die ihm selbst von seinem Vater angetan wurde, als der ihn ins Korsett eines falschen Lebens zwang. Mit Gewalt ist auch Paul ins Korsett eines falschen Lebens gezwungen, und zwar von der Gewalt der Entfremdung. Paul, ein Berater Mitte vierzig, ist Held von Falk Richters Stück „Unter Eis“, das seine fatalistische Bestandsaufnahme zu den Lebensbedingungen in westlichen Gesellschaften „System 1–4“ fortsetzt. Letzte Sehnsuchtsfunken der Hoffnung kann man in dieser Theaterwoche höchstens von Sasha Waltz’ neuem Tanzabend an der Schaubühne erwarten, deren Tänzer zu Franz Schuberts „Impromptus“ das Leben dort suchen, wo es vielleicht noch am ehesten zu finden ist: im Kraftfeld von Schönheit und Sinnlichkeit, in Gefühlen wie Schmerz, Glück und Leidenschaft.
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