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Ein altes Gesicht für ein neues Image

Heute sind die Mazedonier aufgerufen, einen Präsidenten zu wählen. Beste Chancen, den ersten Wahlgang zu gewinnen, hat Premier Branko Crvenkovski. Von ihm erwarten die Wähler vor allem eine positive Repräsentation Mazedoniens im Ausland

Bei den Albanern treten mindestens zwei Kandidaten an, die nur wenig Chancen haben

VON ERICH RATHFELDER

Nach dem tragischen Tod des ehemaligen Präsidenten Boris Trajkovski, der am 26. Februar bei einem Flugzeugabsturz in Bosnien ums Leben kam, sind heute rund 1,659 Millionen Wähler in Mazedonien aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Die Wahlen finden inmitten einer schweren Wirtschaftskrise mit rund 400.000 registrierten Arbeitslosen statt. Trotz der sozialen Misere erwarten die fast 3.500 in- und ausländischen Wahlbeobachter einen ruhigen Verlauf. Nach bisherigen Umfragen wird die Wahlbeteiligung weit höher als die erforderlichen 50 Prozent liegen.

Favorit für den ersten Wahlgang ist Premier Branko Crvenkovski (42) von dem regierenden Sozialdemokratischen Bund (SDSM), der nach Erhebungen eines demoskopischen Instituts in Skopje mit den meisten Stimmen rechnen kann. Crvenkovski verfügt über langjährige Regierungserfahrung. Er regierte von 1992–98 als damals jüngster Regierungschef Europas. Bei den Wahlen 2002 eroberte sein Parteienbündnis „Gemeinsam für Mazedonien“ überlegen die Mehrheit beim slawischen Teil der Bevölkerung zurück.

Sein größter Herausforderer wird der gleichaltrige Herzchirurg Sasko Kedev von der slawisch-nationalistischen „Innermakedonischen Revolutionären Organisation“ (VMRO-DPMNE) sein, der mit dem Slogan, „ein neues Gesicht für Mazedonien“ wirbt. Kedev, der im Ausland tätig war, hat nichts unversucht gelassen, die schlechte Wirtschaftssituation in das Zentrum seiner Kampagne zu stellen und Crvenkovski für den Rückgang der Industrieproduktion um 40 Prozent verantwortlich zu machen.

Dessen ungeachtet präsentieren sich beide Kandidaten als moderat, wollen die Bedingungen für ausländische Investitionen verbessern, sich um einen innerethnischen Ausgleich bemühen und mit einer Imagekampagne das Bild Mazedoniens im Ausland aufpolieren. Dieses erwarten die Wähler – genauso wie eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation nach einem Beitritt Mazedoniens zur EU. Einen entsprechenden Antrag hat die Regierung vor wenigen Wochen gestellt.

Auch bei den Albanern treten mindestens zwei Kandidaten an, die nur wenig Chancen haben. Nach langer Ungewissheit über die wirkliche Stärke des albanischen Bevölkerungsanteils stellte eine kürzliche Erhebung klar, dass er nur 25 und nicht, wie von den Albanern behauptet, bis zu 40 Prozent beträgt.

Bei den Albanern liegt der Vertreter der mitregierenden „Demokratischen Union für Integration“ (DUI), Gezim Ostreni (62), vor seinem Gegenkandidaten, dem Vertreter der oppositionellen „Demokratischen Partei der Albaner“ (PDSH), Zudi Xhelili (42), bei den Umfragen vorn. Ostreni ist als Exgeneralsekretär der aufgelösten „Nationalen Befreiungsarmee“ UÇK bei den Albanern sehr populär und wird nur von seinem Parteichef Ali Ahmeti übertroffen. Beide setzten nach dem von ihnen organisierten Aufstand im Sommer 2001 die Demobilisierung der UÇK durch und handelten den Vertrag von Ohrid aus.

Dieser schreibt eine größere Repräsentanz der Albaner fest – so im Erziehungssystem, der Polizei und dem Staatsapparat. Immerhin hat die Regierungsbeteiligung der DUI dazu geführt, dass die Spannungen zwischen dem albanischen und slawischen Bevölkerungsteil abgenommen haben, wenn auch nicht verschwunden sind. Deshalb lehnt Ostreni die Strategie Xhelilis ab, der zu einem gemeinsamen Vorgehen der albanischen Parteien aufruft. Dieses könnte nach Meinung der DUI wieder zu größeren ethnischen Spannungen führen.

Von Versöhnung zwischen den Bevölkerungsgruppen will der ehemalige Innenminister und nationalistische Falke, Ljube Boskovski, nichts wissen. Als unabhängiger Kandidat werden ihm jedoch nur um die 4 Prozent vorausgesagt.

Nach bisherigem Fahrplan wird Mazedonien noch vor den Kommunalwahlen im Herbst die meisten Bestimmungen des Vertrages von Ohrid umgesetzt haben. Sorge bereitet jedoch die Entwicklung im Kosovo. Alle verantwortlichen Politiker wollen ein Überschwappen der nationalistischen Auseinandersetzungen auf Mazedonien vermeiden, die die bisher erreichten Erfolge zunichte machen könnten.

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