: Weise Sicht aufs Recht
Was vor knapp zehn Jahren in Bonn etabliert wurde, hat jetzt in Hamburg eine neue Heimat gefunden: Das feministische Rechtsinstitut will aufklären, weiterbilden, beeinflussen und vernetzen
von Waltraut Braker
Fast hätte es das feministische Rechtsinstitut nicht geschafft, seinen 10. Geburtstag zu feiern. Am 17. September 1994 gegründet, sollte es Anfang 2003 schließen. Die Bonner Rechtsanwältin Barbara Degen, Gründerin und jahrelang tragende Kraft des Vereins, und ihre Mitstreiterinnen wollten das Institut auflösen – denn die alten Reckinnen waren müde und Nachwuchs vor Ort nicht in Sicht.
Vor Ort, das war für fast neun Jahre Bonn und Umgebung. Rettung nahte aus dem hohen Norden – eine Handvoll engagierter Juristinnen war bereit, dem feministischen Rechtsinstitut eine neue Heimat und neue Energien zu geben. Und so konnte sich Anita Roggen, neue Vorstandsfrau und treibende Kraft für den Umzug nach Hamburg, am 26. März schließlich erschöpft, aber zufrieden unter die geladenen Gäste der Eröffnungsveranstaltung im Museum für Kommunikation mischen.
„Wir fanden es einfach unverzeihlich, zuzulassen, dass das feministische Rechtsinstitut so sang- und klanglos zu Grabe getragen wird“, sagt Roggen, unter anderem Juristin bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin und seit Jahren Mitherausgeberin der feministischen Rechtszeitschrift Streit. „Wir meinen, dass es auch und gerade heute einen dringenden Bedarf dafür gibt, feministische Sichtweise in alle Bereiche des Rechts hineinzubringen.“
Wechselhaft und bunt war das Wirken des feministischen Rechtsinstituts in den Jahren von 1994 bis 2003 gewesen. Dem Enthusiasmus der ersten Jahre, den Chancen, aber auch Einschränkungen durch staatliche Förderung, folgten Zeiten, in denen der gewachsenen Struktur an Begleiterinnen, Interessentinnen und Förderinnen viel abverlangt wurde. Immer mehr stellte sich heraus, dass Bonn als Standort nur bedingt anziehend war. Es etablierte sich zwar eine konstante Fortbildungsreihe, die Anwältinnen, aber auch Frauenbeauftragte und Frauen in den Betriebs- und Personalräten ansprach. Die Resonanz nahm jedoch über die Jahre kontinuierlich ab.
Die Hamburger Mitstreiterinnen des feministischen Rechtsinstituts setzen auf die Attraktivität des neuen Standorts und wollen ihre Schwerpunkte ebenfalls auf Fort- und Ausbildungsangebote legen. Daneben soll aber auch Vernetzungsarbeit stattfinden und – so die weitergehende Planung – Rechtskampagnen initiiert werden, um die Rechtsentwicklung in Deutschland zu beeinflussen.
Das ist auch dringend geboten, solange es beispielsweise immer noch Praxis ist, dass private Kranken- und Lebensversicherungen Frauen höhere Tarife abverlangen als Männern. Das Ziel des Instituts ist es daher, auf Wirkungen des Rechts bei der Reproduktion gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse aufmerksam zu machen und das Bewusstsein über Belange von Frauen im Recht zu verbreitern, feministische Rechtspositionen zu formulieren und in die Rechtsentwicklung einzubringen sowie frauenspezifische Benachteiligungen im Recht aufzuzeigen und ihnen entgegenzuwirken. Für die Zukunft ist neben der Vernetzung mit dem Schweizer feministischen Rechtsinstitut die weitere Zusammenarbeit mit der Streit ebenso geplant wie mit dem Deutschen Juristinnenbund, aber auch die Bildung und Förderung von Fachgruppen, die sich über die spezifischen Probleme austauschen und informieren sollen und können.
Denn Feminismus ist eben kein heute oft ungeliebtes Relikt aus den siebziger und achtziger Jahren, wie Susanne Baer, Professorin für öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Berliner Humboldt-Universität, in ihrem Eröffnungsvortrag klarstellte: „Eine vergangene Phase wäre feministische Rechtskritik nur, wenn wir erreicht hätten, was erreicht werden sollte.“ Da aber Frauen in führenden Positionen in der Industrie, in der Verwaltung und an den Universitäten nach wie vor unterrepräsentiert sind, seien wesentliche Ziele auch heute noch nicht erreicht.
Auch den oft erhobenen Einwand, mit feministischen Forderungen werde nur einem andere Prioritäten setzenden Biologismus gehuldigt, mochte Baer nicht gelten lassen. Feministische Theorie setze sich eingehend damit auseinander, wie Geschlecht konstruiert wird und welche Rolle es für wen wo spielt. Feminismus sei daher geprägt durch Skepsis gegenüber Reduktionen einzelner Menschen auf ein Merkmal, das sie mit anderen teilten – sei es Geschlecht, Hautfarbe oder körperliche Befähigung: „Nur wer über Geschlecht spricht, kann geschlechtsbezogene Zuschreibungen verhindern.“
Ob sich die ambitionierten Vorstellungen und Pläne des feministischen Rechtsinstituts durchsetzen lassen, bleibt zu hoffen. Zur Eröffnungsveranstaltung jedenfalls kamen rund 90 Frauen – und einige Männer –, Anwältinnen, Juristinnen aus Behörden und Verbänden, Richterinnen. Für Pro:fem, den Verbund der Hamburger Frauen- und Mädchenprojekte, war die Vorstandsvorsitzende Heike Peper erschienen und zu später Stunde gratulierte die ehemalige Hamburger Justizsenatorin und Berliner Rechtsanwältin Lore Maria Peschel-Gutzeit. Und nicht zuletzt gab‘s auch noch einen Scheck: Das Autorinnen-Kollektiv des „Scheidungsratgebers von Frauen für Frauen“ spendete 5.000 Euro.
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