DIE LINKE HAT AUF ZYPERN IHRE IDEALE FÜR EIN STÜCK MACHT VERRATEN: Totengräber der Einheit
„Friedhof der Diplomaten“ wird der Konflikt zwischen Griechen und Türken auf Zypern genannt, weil schon Generationen internationaler Politiker an der Lösung dieser Frage gescheitert sind. In gut einer Woche stimmt die Bevölkerung der Insel über die Wiedervereinigung in einem bizonalen Bundesstaat ab. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat seine ganze Autorität genutzt, um für den nach ihm benannten Plan zu werben. Doch es sieht ganz danach aus, als werde in Nikosia gerade sein diplomatisches Grab geschaufelt.
Dreißig Jahre lang ist eine Lösung des Konflikts an der Türkei und ihrem Statthalter auf Zypern, Rauf Denktasch, gescheitert. Jetzt, wo Ankara in der Hoffnung auf eine EU-Mitgliedschaft erstmals zu einer Lösung bereit ist, sind es die griechischen Zyprioten, die den Kompromiss verweigern wollen. Liegt der Streit zwischen Griechen und Türken etwa doch in deren Genen verborgen? Sind die beiden Völker aufgrund widerstreitender Interessen zum immerwährenden Konflikt verurteilt? Nein. Nicht eine imaginäre Volksseele ist für die Konservierung des Zypernkonflikts verantwortlich, sondern handfeste Interessen und eine katastrophale Strategie bestimmter Politiker. Denn sicher ist: Noch vor zwei Jahren hätten die Zyperngriechen dem jetzt gefundenen Kompromiss zugestimmt – doch damals war Ankara noch nicht dazu bereit.
Die Verantwortung für den Meinungsumschwung unter den Inselgriechen trägt die Linke. Sie hat sich der Fleischtöpfe der Macht wegen mit dem nationalistischen Hardliner Tassos Papadopoulos verbündet, der die Macht auf der Insel nicht mit den Türken teilen will. Nun mag die kleinlaute Linke nicht von den so schmackhaften Posten im Staate lassen und folgt Präsident Papadopoulos lieber in die politische Isolation. So ist das voraussichtliche „Nein“ der Inselgriechen ein Lehrstück für verrottetes Politikverständnis nicht nur auf Zypern. Die Linke wird damit einen Zipfel Macht behalten – und dafür ihre historische Aufgabe – die Aussöhnung der beiden Völker auf der Insel – im Müll des Parteiprogramms entsorgen.
KLAUS HILLENBRAND
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