piwik no script img

SACHSEN-ANHALT BEMÜHT FÜR ZUKUNFTSTECHNIK DEN STAAT VON GESTERNMit Genmais zurück in die 80er

Sachsen-Anhalt möchte gern eines: Das Land der „Zukunftstechnik“ sein. Gentechnik auf dem Acker ist für die Regierung Böhmer (CDU) ein letzter Strohhalm in einem Land auf der Kippe. Da verwundert es nicht, wenn der Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) mal ein bisschen durchdreht.

Für Paqué rüttelt die Aktion von Greenpeace gegen zwei Äcker, auf denen gentechnisch veränderter Mais ausgesät werden sollte, nämlich an den Grundfesten der freiheitlich-demokratischen Ordnung. Deshalb will er der Umweltschutzorganisation die Gemeinnützigkeit entziehen lassen. Schließlich hätten sich die Aktivisten der Sachbeschädigung schuldig gemacht. Und wer gewaltfreien Widerstand ankündige, der dürfe nicht vom Staat begünstigt werden. So hat schließlich der Bundesfinanzhof 1984 entschieden.

Es ist kein Zufall, dass das Urteil 20 Jahre alt ist – damals galt auch ein Sitzstreik als Gewalt. Das ist heute anders. Gewaltfreier Widerstand gegen den Staat gilt nicht mehr sofort als Hochverrat, unter anderem ein Erbe der Umwelt- und Friedensbewegung und der gewaltfreien Wende in der DDR. Wenn Spediteure die Straßen blockieren oder Bauern dem Minister Milch vor die Tür kippen, wird das bis zu einem gewissen Grad toleriert. Natürlich steht es den Besitzern der Gen-Äcker frei, Strafanzeige gegen die Greenpeace-Aktivisten zu stellen. Doch der Entzug der Gemeinnützigkeit ist ein direkter Angriff auf die Lebensfähigkeit einer Organisation, die von Spenden lebt. Und die deutlich höheres Vertrauen in der Bevölkerung genießt als alle Finanzminister Deutschlands zusammen.

Sachsen-Anhalt beweist mit der Aktion des Finanzministers seine Rückständigkeit. Das Land bemüht sich um so genannte Zukunftstechnologien, kehrt aber dann den Obrigkeitsstaat von gestern hervor. Es wirbt um Akzeptanz für eine umstrittene Technologie und will seine Gegner ökonomisch an die Wand drücken. Wie zukunftsunfähig der Vorstoß von Sachsen-Anhalt ist, zeigt auch die Erfahrung: Regelmäßig verlaufen solche Aktionen, wie etwa nach den Castor-Demonstrationen von 2001, im Sande. BERNHARD PÖTTER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen