piwik no script img

Das Dornen-Wunder von Delmenhorst

Nirgendwo sonst gibt es im Bremer Raum so viele historische Rosen auf einem Fleck: 400 Sorten blühen und verströmen ihre betörenden Düfte im Garten der Bachmanns. Morgen ist Tag der offenen Tür. Alles über „Erotika“, die „Zigeuner der Rosenzunft“, „Bobby James“ und „Venusta Pendula“

Vor allem Männer wollen die Rosen immer kurz und klein säbeln

taz ■ Vita Sackville-West – Freundin und Geliebte der Schriftstellerin Virginia Woolf war vernarrt in die historischen Rosen, die auch in deutschen Gärten zunehmend die pompösen, aber geruchsneutralen Beetrosen namens „Erotika“, „Liebeslied“ oder „Purpurtraum 2000“ ablösen. Den Lesern und Leserinnen ihrer Kolumne im Observer schwärmte die leidenschaftliche Gärtnerin vor von den „Zigeunern der Rosenzunft“, die sich „gegen allen Zwang empören“ und „frei wie die Heckenrosen am Wegesrand“ seien – und entsprechend wuchern. Sackville-West hatte damit kein Problem, wohnte sie doch auf einem Schloss: Sissinghurst Castle, umgeben von einer parkähnlichen Gartenanlage. Also fügte sie hinzu: „Ich weiß, sie sind nicht jedermanns Geschmack, und ich weiß auch, dass sie in kleinen Gärten keinen Platz haben.“

Deshalb stehen in den meisten Bremer Gärten auch nur alte Sorten, mal hier eine zartrosa „Maiden’s Blush“ oder eine fast lilafarbene „Cardinal de Richelieu“. Einzigartig ist da das Rosenparadies in Delmenhorst, geschaffen von den Rosenfans Erika und Klaus Bachmann. Wer in den Garten eintritt, kann sie sofort riechen: 400 Rosensorten vor allem in Rosa- und Weißtönen blühen hier und verströmen ihre betörenden Düfte, fast alle sind sie vor 1867 entdeckt oder gezüchtet worden und werden deshalb als „historisch“ im Gegensatz zu den „modernen“ Sorten bezeichnet. Eine kleine Sammlung neugezüchteter Rosen gibt es auch, ebenso wie einige Wildrosensorten. „Ich versuche, ein möglichst breites Spektrum zu zeigen“, sagt Erika Bachmann, erste Vorsitzen des Vereins der „Rosenfreunde Bremen un umto“, die den privaten Garten einmal im Jahr zur Rosenblüte öffnet, um anderen ihren verwirklichten Traum zu zeigen.

1990 haben die Bachmanns den Garten angelegt. 2.800 Quadratmeter – nur für Rosen und ein paar Obstbäume. Ein Apfelbaum ist als solcher nicht mehr zu erkennen, weil sich die Kletterrose „Bobby James“ in ihm breit gemacht hat. Meterlang hängen Kaskaden weißer Miniblüten an ihm hinunter und bedecken den Baum fast vollständig. Oder „Venusta Pendula“, ebenfalls weiß blühend mit einem Hauch Rosa, die schon ein übermannshohes Dach bildet.

Geschnitten werden die Rosen kaum, denn Erika Bachmann glaubt – wie Sackville-West –, dass man ihnen ihren Willen lassen muss. „Viele machen den Fehler, die alten Sorten stark zurückzuschneiden“, sagt Bachmann. Vor allem Männer wollten die Rosen immer kurz und klein säbeln: Bis nur noch ein paar kümmerliche Zweige aus der Erde ragen.

Auch wenn sie weniger schneidet – Arbeit macht der Garten trotzdem. Arme und Beine sind immer zerkratzt. Drei Tage pro Woche haben die Bachmanns für den Rosengarten reserviert, einen Tag brauchen sie für den Garten an ihrem Wohnhaus, wo noch einmal 100 Rosen stehen. „Das Wochenende ist frei“, sagt Erika Bachmann. Vor zwei Jahren haben die beiden Rentner gemerkt, dass ihnen vor lauter Gartenarbeit keine Zeit mehr für sich selbst und andere Hobbys blieb. „Eigentlich haben wir uns das so vorgestellt, dass wir hierher kommen zum Gammeln.“ Aber mit Entspannung war Pustekuchen, immer gab es eine Ecke, die von Unkraut befreit werden musste, eine Rose, die umgesetzt werden musste.

Sie störe sich an dem Wildwuchs nicht mehr so sehr, sagt Bachmann, aber manche Leute hätten in den letzten Jahren bemängelt, dass nicht jeder Grashalm vorschriftsmäßig stramm stand, nicht jedes Unkraut vernichtet war. Deswegen wollte sie den Besichtigungstermin am Samstag auch nicht an die große Glocke hängen. Aber: Wer in diesem Wunder von einem Rosengarten mit seinen abertausenden duftenden Blüten noch Augen hat für Giersch und Co – dem ist nicht mehr zu helfen.

Eiken Bruhn

Garten geöffnet am Samstag, 14. Juni, von 14 bis 18 Uhr, Schillerstraße 35, Delmenhorst. Für Extra-Termine: Tel. 04221-18508 (vormittags).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen