: Mitdenken erwünscht!
Das politische Kabarett ist tot? Von wegen! Beim 18. Hamburger Kabarett-Festival werden KünstlerInnen aus dem ganzen Land frech. Zum Beispiel Hilde Wackerhagen
Seit dem Ende der Kohl-Ära gibt es immer wieder Stimmen, die da unken, das politische Kabarett liege danieder und sei der Unkultur der albernen Fernseh-Comedy-Shows gewichen, die allabendlich die deutschen Wohnzimmer mit Flachwitzen überfluten. Politisches Kabarett muss auch heute noch mehr leisten, als einzelne Besetzungen der politischen Bühne zu persiflieren oder den 400. Kommentar über Angela Merkels Frisur abzuliefern. Es muss und es kann! Denn es gibt sie tatsächlich noch, die KabarettistInnen, die an der guten alten Ursprungsidee des politisch kritischen und aufklärerischen Kabaretts festhalten.
Die Frankfurter Künstlerin Hilde Wackerhagen (Foto) ist so eine. Zusammen mit Matthias Beltz gehörte sie zu „Karl-Napp‘s-Chaos-Theater“, seit 1984 steht sie solo auf der Bühne. Eine Frau mit reichlich Erfahrung also, die weiß, dass im Kabarett noch längst nicht das letzte Wort gefallen ist.
Wer glaubt, dass politisches Kabarett ein alter Hut ist, dem dazu die echten Feindbilder abhanden gekommen sind, dem schlägt Wackerhagen vor, den Anspruch der Demokratie und des Grundgesetzes einfach mal wieder richtig ernst zu nehmen und an den Realitäten zu messen. Und da kann einem das Lachen hin und wieder im Halse stecken bleiben. Wackerhagens Programm, mit dem sie beim Kabarett-Festival im Polittbüro auftritt, ist engagiert und intelligent. Sie will aufklären, wachrütteln und Strukturen aufdecken. Sie geht mit „gesundem Hausfrauenverstand“ (Wackerhagen) an tagespolitische Themen, ohne einen festen Text. Der entsteht auf der Bühne, anhand dessen, was sie in den Zeitungen findet. Gnadenlos weckt sie ihr Publikum aus dem Schlummer einer allgemeinen Realitätsverdrängung im politischen Tagesgeschäft. An der Empörung über die öffentlich gezeigten Bilder toter amerikanischer Soldaten im Irak-Krieg illustriert sie, dass der alte Glaube, was man nicht sagt und sieht, existiere auch nicht, noch immer die breite Meinung regiert. Wackerhagen legt ihren Finger auf die Mechanismen, mit denen Sprache und Berichterstattung parallele Wirklichkeiten schaffen. Das ist zwar keine Entdeckung, die Frau Wackerhagen zuerst gemacht hat. In allen Köpfen angekommen ist sie darum aber noch längst nicht.
Jana-Axinja Paschen
18. Hamburger Kabarett-Festival, 4.–29. 5., St. Pauli-Theater, Polittbüro und Musikhalle, Spielpläne unter www.polittbuero.de und www.st-pauli-theater.de; Hilde Wackerhagen: 25. bis 27. 5., jeweils 20 Uhr, Polittbüro
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