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US-Milliardär kehrt Russland den Rücken

George Soros, der 15 Jahre den Aufbau der Zivilgesellschaft in Russland unterstützte, will sich jetzt zu Hause engagieren

MOSKAU taz ■ „Ich will mich mehr auf die USA konzentrieren, wo der Kampf um die offene Gesellschaft jetzt ausgetragen werden muss“, meinte George Soros und kündigte nach 15 Jahren Engagement den Rückzug aus Russland an. Nur einige Projekte der Soros-Foundation, vor allem in den Provinzen, werden noch weiter finanziert, aber auch die sind angehalten, sich demnächst nach neuen Sponsoren umzutun.

Selbstfinanzierung und Fundraising gehörten schon immer zu Lernschritten, die Soros im Unterschied zu europäischen Stiftungen von seinen Protegés verlangte. Auch in der Effizienz und Effektivität war Soros nicht zu übertreffen, behaupten Experten.

Ein Quäntchen Koketterie ist selbstverständlich dabei, wenn der gebürtige Ungar und Milliardär sein Vermögen nun zur Rettung der amerikanischen Zivilgesellschaft einsetzen will. Die US-Administration werde von Ideologen beeinflusst, die die Grundregel einer offenen Gesellschaft vergessen hätten, meinte Soros, der einst Großbritanniens Zentralbank fast in die Knie gezwungen hätte: Niemand besitze ein Monopol auf die Wahrheit. Mit Kritik an der einzigen Supermacht liegt man in Moskau nie falsch, auch nicht bei den Nutznießern amerikanischer Hilfsgelder.

Soros kam 1987 mit einigen Kopiereren und Faxgeräten nach Russland, um den ersten unabhängigen Initiativen auf die Beine zu helfen. Damals hatte der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Michail Gorbatschow, gerade den Dissidenten Andrei Sacharow aus der Verbannung zurückgeholt.

Das nahm Soros als Zeichen des Aufbruchs. Etwa 1 Milliarde Dollar hat die OSI (Open Society Institute) in Russland bisher investiert. In den ersten harten Jahren des Umbruchs erhielt fast die Hälfte aller russischen Wissenschaftler ein Überbrückungsgeld der International Science Foundation. Mit 100 Millionen Dollar stattete der Philanthrop diesen Fonds damals aus. Von 500 US-Dollar konnte ein Wissenschaftler ein Jahr gut überwintern.

Ohne Soros wäre es um die russische Intelligenzija noch schlechter bestellt gewesen. Überdies finanzierte das OSI die Entwicklung des Internets und versorgte Bibliotheken mit westlicher Literatur. In der Hoch-Zeit vor drei Jahren flossen 50 Millionen Dollar jährlich nach Russland. 2004 werden es nur noch 10 Millionen sein.

Aber auch finanzielle Engpässe werden den Milliardär veranlasst haben, die Hilfsleistungen neu zu verteilen. „Die Zeit, da ich Geld verdient habe“, so Soros, „ist vorbei.“ Dass inzwischen einige Russen wohlhabender seien als er, habe ihn auch zum Rückzug bewogen. Sollen doch sie seine Rolle übernehmen, meinte er süffisant. 17 Russen führt das US-Magazin Forbes in der weltweiten Milliardärsliste.

Der Rückzug wirft unterdessen ein falsches Bild auf Stand und Entwicklung der zivilen Gesellschaft. Sie hat es in Russland nach wie vor sehr schwer und muss sich gegen starke Widerstände und Manipulationen des semiautoritären Staates behaupten. Vor dem Hintergrund, dass auch die USA ihre staatlichen Zuwendungen gekürzt haben, trifft es die russischen Nichtregierungsorganisationen besonders hart. Von 142 Millionen Dollar 2002 sank die Förderung 2003 auf 72 Millionen. Dahinter steht eine strategische Entscheidung Washingtons, frei werdende Geldmittel in den Nahen und Mittleren Osten sowie nach China zu lenken.

Der Kreml leitet daraus einen Beweis der Leistungsfähigkeit der Zivilgesellschaft ab – ein billiger Taschenspielertrick. „Wenn ich den Umfang meiner Tätigkeit einschränke, bedeutet dies nicht, dass wir alle Ziele erreicht hätten“, meinte Soros. Im Jahresbericht der US-Organisation Freedom House, die einen weltweiten Demokratie-Index erstellt, stieg Russland seit 1997 mit 3,8 auf inzwischen 4,88 negative Zähler. Damit bewegt sich Moskau hinsichtlich Demokratiefähigkeit in der Nachbarschaft von Kamerun und Zentralafrika nun in der letzten Kohorte.

KLAUS-HELGE DONATH

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