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Freispruch für Notenbankchef Trichet

Unschuldig im Bilanzskandal: Nun hat der Franzose beste Chancen, Chef der Europäischen Zentralbank zu werden

PARIS taz ■ Von der Anklagebank in den Chefsessel der Europäischen Zentralbank – so wird voraussichtlich die weitere Karriere von Jean-Claude Trichet verlaufen. Gestern wurde der 60-jährige Bankier und Wirtschaftswissenschaftler in Paris von dem Verdacht der Beihilfe zur Fälschung von Bilanzen freigesprochen. Morgen will die französische Regierung sich in Thessaloniki beim EU-Gipfel erneut und verstärkt dafür einsetzen, dass er die Geschäfte an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main übernimmt. Im Herbst dieses Jahres könnte die Übergabe des Amtes von dem Niederländer Wim Duisenberg an den Franzosen stattfinden.

Trichet, der gegenwärtig die französische Zentralbank leitet, war Anfang der 90er-Jahre Direktor des dem Finanzministerium unterstellten Schatzamts und in dieser Eigenschaft auch mit der Aufsicht über die staatlichen Banken betraut. In jene Zeit fiel einer der größten Finanzskandale Europas, bei dem die Bank Crédit Lyonnais ihre hohe Verschuldung durch gefälschte Bilanzen zu verschleiern versuchte. Am Ende pumpte der französische Staat 15 Milliarden Euro in die Bank. Dann wurde sie privatisiert. Drei frühere Manager des Crédit Lyonnais wurden gestern zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen auf Bewährung verurteilt. Sechs andere wurden freigesprochen, darunter Trichet sowie einer seiner Vorgänger an der Spitze der französischen Zentralbank. Das Gericht konnte bei ihnen keine Mitverantwortung für die Bilanzenfälschung erkennen.

Trichet, den Frankreichs Präsident Chirac 1998 gegen starken Widerstand in der EU als zweite Halbzeitbesetzung für die erste Amtszeit an der Spitze der EZB durchgesetzt hatte, gilt heute in der europäischen Bankiers- und Regierungsszene als der beste Franzose für das Amt. DORA

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