KUNSTRUNDGANG: Dominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um
Die Fliehkräfte der Distinktion drücken schon seit längerem Galerien an die Peripherie: nach Charlottenburg in eine ehrwürdige Beletage zum Beispiel oder nach Kreuzberg, in eine langgestreckte Halle unweit des Schlesische Tors – eben bloß nicht Mitte. Zuerst ins alte Bürgerquartier hinter dem Ku’damm zu Daniel Buchholz. Hier gibt Henrik Olesen momentan den Heimwerker. Mit einer Menge an sich disparater Ausstellungsexponate zimmert er anhand des Schicksals des schwulen britischen Mathematikers Alan Turing die Mechanismen der Identitäts- und Körperpolitik zu einer Art losem Porträt zusammen: Hier findet sich alles von simplem Gaffer-Tape über an der Decke klebenden Schuhen und Löffeln, verschnürte alte Computer und Reihen von Schrauben inklusive Schraubenzieher; vor allem aber Serien von Prints, auf denen Olesen assoziatives Bildmaterial mit allerlei Zitaten unterschiedlichster Provenienz mischt. Identität als Bausatz und Subjekte als zuckende Referenzbündel – so neu ist das nicht. Und doch trifft Olesens Zeichenwust den Nagel irgendwie auf den Kopf.
Am anderen Ende der Stadt, bei Peres Projects, bietet sich ein ganz anderes Bild: Mark Titchner widmet sich hier zwar auch der Zeichenspielerei, jedoch in einem wesentlich geschlosseneren Ambiente. So abgeschlossen wie eine Gruft beinahe – das denkt man sich zumindest angesichts der düster-dunklen Schwere seiner teilweise massiven Skulpturen und Wandobjekte aus Eisen und Holz. Da finden sich dann mit seltsamen Chakralinien überlagerte Politikerporträts, tonnenschwere rostige Windspiele, Peace-Zeichen und ein wildes Durcheinander verschiedenster Slogans à la „Form and Function“ oder auch „Shock and Awe“. Doch anders als bei Olesens weitaus offenerem Arrangement fehlt hier erstaunlicherweise gerade das kleine Etwas an formgebendem Zusammenhalt.
Henrik Olesen – „How do I make myself a body?“, Di.–Fr. 11–18 Uhr, Sa. 11–16 Uhr, bis 31. Januar, Galerie Daniel Buchholz, Fasanenstraße 30 Mark Titchner – „Plateau Aurora Borealis“, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 31. Januar, Peres Projects Berlin, Schlesische Straße 26
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