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MOSKAU HAT KEIN INTERESSE AN POLITISCHER STABILITÄT IN GEORGIENNeues Klima im Kaukasus

Für Spott und Häme gibt der unbekannte Kaukasus immer etwas her. Seit Georgiens Unabhängigkeit vor dreizehn Jahren gilt dieser Flecken als ein zerfallender Staat, der nur dank amerikanischer Finanzspritzen noch am Leben gehalten wird. Kaum hat dieses Land mit Michail Saakaschwili einen neuen Messias zum Präsidenten gewählt, bricht am Fuße des Kaukasus wieder ein gewaltsamer Konflikt aus. Diesmal in der autonomen Region Adscharien. Ist Georgien noch zu retten? Lohnt sich westlicher Einsatz überhaupt? So mancher im Westen mag das fragen. Russland würde es glattweg verneinen. Doch Moskau verfolgt andere Interessen als die Festigung georgischer Staatlichkeit. Wie immer neigt es zum doppelten Spiel.

Das Kräftemessen zwischen dem adscharischen Potentaten und Präsident Saakaschwili folgt diesmal nicht den Verlaufsmustern ethnisch-religiöser Konflikte in der Region. Die Zentralgewalt in Tiflis versucht nur umzusetzen, was jede politische Kraft mit Mandat verpflichtet ist zu tun: die territoriale Integrität des Staates zu sichern, die Wahrung von Rechtseinheit und die Implementierung zentraler Entscheidungen auf dem Staatsgebiet zu gewährleisten. Seien es freie Wahlen oder ein vertraglich längst vereinbarter Abzug russischer Truppen aus Adscharien.

Statt mit Gewalt vorzugehen, fährt Saakaschwili eine längerfristige Zermürbungsstrategie. Das ist ein Erfolg. Der Widerstand gegen den autoritären Herrscher Aslan Abaschidse in Batumi wächst täglich. Seine Tage sind gezählt, am Ende könnte ein erster unblutiger Machtwechsel in der Region daraus werden. Dann hätte Tiflis bewiesen, dass mit dem neuen Präsidenten tatsächlich auch eine neue zivilisatorische Ära begonnen hat. Fraglich ist nur, ob Moskau, das in Tschetschenien die gegenwärtige georgische Besonnenheit nicht walten lässt, dem untätig zuschauen wird. Mit Abaschidse würde Moskaus letzter Statthalter in Georgien das Feld räumen. Der Kreml aber hat kein Interesse an einem stabilen Georgien. Schon gar nicht an einem Georgien, das sich der westlichen Hemisphäre zuneigt. KLAUS-HELGE DONATH

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