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Die demokratischen Schleckerhirsche

Ein selbst verwaltetes Jugendzentrum in Marzahn wird heute in Leipzig mit einem Preis für demokratisches Handeln ausgezeichnet. In Vollversammlungen regeln die Jugendlichen Putzpläne oder Probleme mit den Nachbarn

Immer noch treffen sich Brömme, Koch, Treusche und die anderen „Schleckerhirsche“ im Blockhaus in Marzahn zum Sonnen, Faulenzen und Feiern. Wenn es nicht ihr eigenes Jugendzentrum wäre, ihr „Zuhause“ gar, dann wären die jungen Leute sicher schon rausgewachsen. Die einen machen gerade Abitur und die anderen werden demnächst zur Bundeswehr eingezogen. Und so können die etwa ein Dutzend jungen Leute heute auch nicht nach Leipzig fahren, um ihren Preis für „Demokratisches Handeln“ abzuholen und an einer „Lernstatt“ teilzunehmen.

Zusammen mit 24 anderen Berliner Projekten – 235 sind es Deutschlandweit – hatten sich die „Schleckerhirsche“ beim Jugendförderprogramm „Demokratisch Handeln“ beworben und sind nun unter den 50 Gewinnern. Der Wettbewerb, unter anderem ausgerichtet von der Theodor-Heuss-Stiftung sowie der Akademie für Bildungsreform in Jena, möchte Jugendliche für das Gemeinwesen gewinnen und Möglichkeiten aufzeigen, wie Toleranz und Demokratie geübt werden können.

Die „Schleckerhirsche“ haben gezeigt, wie man als junger Mensch sein Umfeld mitgestalten kann. Schon Mitte der Neunziger stand den Jugendlichen eine Holzhütte an der Kölpiner Straße als Jugendzentrum zur Verfügung. Aber als die Cliquenstreitereien überhand nahmen und das Geld knapp wurde, hat das „Blockhaus“ im Januar 1998 dichtgemacht. Doch die „Schleckerhirsche“ wollten das nicht hinnehmen. Zusammen mit dem Jugendhilfe-Verband „outreach“ haben sie eine selbst organisierte Nutzung des Blockhauses verwirklicht.

„Der Vorteil gegenüber normalen Jugendzentren ist die Pflicht zu Entscheidungen und Verantwortung“, stellt Projektleiter René Schobert fest. So wurde ein Nutzungsvertrag zwischen den Jugendlichen und „outreach“ geschlossen. „In Vollversammlungen, die von uns begleitet, aber nicht geleitet werden, lösen die jungen Leute Putzprobleme genauso wie Renovierungsfragen oder Probleme mit Nachbarn und Behörden“, berichtet Schobert. Allerdings sei so etwas nicht mit allen Jugendlichen möglich: „Einigen Cliquen fehlen im Moment Führungspersönlichkeiten.“ Denn trotz praktizierter Basisdemokratie müsse es stets Leitfiguren geben, die respektiert würden, denn sonst „diskutieren sich die Leute tot“. MAX HÄGLER

Auch nächstes Jahr werden Projekte zu einer „Lernstatt“ eingeladen. Infos gibt Hiltrun Hütsch-Seide unter 90 26 - 54 53 oder www.demokratisch-handeln.de

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