: Familien sollen Trend werden
Gestern rührte Bundesfamilienministerin Renate Schmidt die Werbetrommel für familienfreundliche Städte
DORTMUND taz ■ Familienpolitik soll kein weiches Weiber-Thema mehr sein: „Kinderfreundliche Städte sind eine Investition in die Zukunft und kein WW-Thema“, sagte Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) gestern zur Eröffnung des bundesweiten Forums „Lokale Bündnisse für Familien“ in Dortmund. Bisher konzentriere sich die Familienpolitik auf finanzielle Unterstützung, dabei mangele es an Betreuungsangeboten. „Die 29 bis 34 Jahre alten Menschen in Deutschland wünschen sich im Schnitt zwei Kinder“, sagte Schmidt. Am Ende bleibe aber jede dritte Frau mit Ende 30 kinderlos. „Mit einer Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau sind wir das absolute Schlusslicht in Europa“, warnt Schmidt.
In der Tat sprechen die Zahlen gegen das Kinderkriegen in Deutschland: Nur drei Prozent der Kinder bis drei Jahren kann in einer Krippe betreut werden, das ist absoluter Minusrekord im europäischen Vergleich wo zum Beispiel in Frankreich und Schweden ein nahezu hundertprozentige Krippenversorgung gewährleistet ist. Jetzt sollen lokale Bündnisse aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Selbsthilfegruppen das Gebären verschönern. Von bundesweit 48 lokalen Bündnissen finden sich bisher 12 in Nordrhein-Westfalen, von Borken über Düsseldorf bis Remscheid und Selm. In Dortmund zum Beispiel hat sich ein familienpolitisches Netzwerk gegründet, das über die Familieninteressen bei allen politischen Entscheidungen wacht. „Familienfreundlichkeit ist ein Standortfaktor“, sagt Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD). Deshalb sei seine Ruhrgebietsstadt bundesweiter Spitzenreiter beim Angebot der offenen Ganztagsgrundschule.
Städte in anderen Bundesländern haben originellere Konzepte: In Hanau zum Beispiel wurde die Arbeitszeit in den Betrieben auf den ÖPNV und die Kinderbetreuung abgestimmt, in der Region Taunus versorgt eine Internetbörse und die gezielte Suche nach Tagesmüttern- und vätern Kleinkinder.
NRW-Familien- und Frauenministerin Birgit Fischer will die Familien zur Selbsthilfe anleiten. „Wir brauchen modernes empowerment“, sagt die Sozialdemokratin. Fischer fehlen bisher vor allem verlässliche Daten zur Familienpolitik: Ihr Ministerium entwickle zurzeit ein in den Kommunen einsetzbares EDV-System, mit dem sich Daten wie Einkommenssituation von Familien oder Schul- und Betreuungsdichte in einzelnen Regionen erfassen ließen. ANNIKA JOERES
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen