: Milde Strafen für milde Zuhälter
Nach 30 Verhandlungstagen bekommt der Zuhälterring, der auch Michel Friedman belieferte, drei bzw. vier Jahre Haft. Den Prostituierten wird etwas Geld erstattet. Am Ende des Prozesses ging es vor allem um Geld – und um eine Entschuldigung
AUS BERLIN MAREKE ADEN
Wenn Richter strafen, dann richten sie ihre Worte an die Angeklagten. Als gestern aber der Kopf einer Zuhältergruppe, Borys B., zu 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt wurde und sein Helfer zu 3 Jahren und 3 Monaten, da sprach der Richter zuerst mit der Öffentlichkeit. Die hatte sich zahlreich eingefunden, weil einer von Borys B.s Kunden Michel F. war, ein bekannter Fernsehmoderator.
Es habe keine großen Unterschiede zu anderen Verfahren gegeben, sagte Richter Karl-Heinz Oplustil und blickte streng auf die Presseleute. Die Angeklagten seien nicht die ganz Großen im Geschäft und auch nicht die ganz Schlimmen. Sie hätten den Frauen erlaubt, Geschlechtsverkehr ohne Kondom abzulehnen. Das machen viele nicht, sagte er und begründete damit die für Menschenhändler relativ niedrigen Strafen.
Ganz Recht hatte er nicht. Spektakulär war an dem Prozess nicht nur der Freier Paolo Pinkel alias Michel Friedman: Auf die Freundin von Borys B., die wegen Beihilfe angeklagt war, wurde zwischen zwei Verhandlungstagen geschossen. Im Publikum saßen Herren, die nach eigenen Angaben nicht dieselben Fehler machen wollten wie Borys, und eine ältere Dame, die in den Pausen wirre Anschuldigungen gegen Friedman ausstieß.
Aufreibend wurde das Verfahren aber auch, weil sich die Juristen im Gerichtssaal 618 unversöhnlich gegenübersaßen. Die Verteidiger warfen den Anwältinnen der Prostituierten überschießende Emotionen vor. Die Anwältinnen wiesen die Verteidigung in ihren Plädoyers auf die Rolle von Verteidigern hin: verteidigen nämlich – nicht durchgängig tuscheln und lachen.
Im Laufe des Verfahrens ging es immer weniger um die Strafe und immer mehr um Geld und eine Entschuldigung. Die Frauen hätten immer noch große Angst vor den Angeklagten, sagte eine ihrer Anwältinnen. Diese hätten an fast 30 Verhandlungstagen nichts unternommen, um ihnen die Angst zu nehmen. Das sei deswegen hart, weil die Täter nach einer so genannten Halbstrafenabschiebung und wegen der angerechneten Untersuchungshaft schon in anderthalb Jahren wieder in der Ukraine sein werden – ganz in der Nähe der Frauen.
Erst in seinem Schlusswort hatte sich Borys B. entschuldigt, allerdings nur bei zwei der Frauen. Außer einer Entschuldigung verlangten die Anwältinnen auch den entgangenen Lohn. Da durch Telefonüberwachungen klar war, wie viel die Prostituierten gearbeitet hatten – also auch, wie viel Geld sie hätten verdienen können –, hatten die Anwältinnen Summen von teils weit über 30.000 Euro zusammengezählt. Die beiden Seiten einigten sich schließlich darauf, dass die Autos, Uhren und das Geld der Angeklagten, die bei Hausdurchsuchungen sicher gestellt wurden, auf die Frauen verteilt werden sollen. Nicht mehr als 500 bis 1.000 Euro werden die Frauen nun wahrscheinlich jeweils erhalten. Denn auch der Mann, der die Prostituierte Ewa für 24.500 Euro gekauft hatte, soll 7.000 Euro zurückbekommen.
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