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Gänsehautgefühl rauscht durch die City

„Wir holen den DFB-Pokal und wir bleiben Deutscher Meister“: Ganz Bremen umjubelt die ruhmreichen Kicker von Werder Bremen. Allein auf Marktplatz und Domshof feiern, singen und jubilieren 50.000 Fans mit Ailton, Micoud & Co.

Bremen taz ■ Eigentlich hätten sie schon viel früher am Rathaus ankommen sollen – doch der Autocorso vom Weserstadion zum Rathaus geriet zu einem heldenhaften Triumphzug mitten durchs Viertel. Auf beiden Seiten des Ostertorsteinwegs feierten am Sonntagmittag Norddeutsche mit südländischer Begeisterung die Meisterschaft, die Werder-Crew, Bremen, das Wetter – und, ach, die ganze Welt – lange bevor die Helden in ihren Mercedes-Cabrios in Sichtweite waren.

Auf der Straße, in den Fenstern, auf den Dächern – wer konnte, hatte sich einen Logenplatz gesichert, um auch alles ganz genau zu sehen, keinen Spieler zu verpassen. Andere blieben lieber am Boden, um näher dran zu sein, hielten sich dicht am Wagen ihres Lieblingsspielers, begleiteten diesen bis zum Domshof. Menschentrauben bildeten sich um die Silberkutsche mit Micoud, junge Mädchen hefteten sich Ismaël an die Fersen. Die Fans filmten die Spieler und die Spieler filmten ihre Fans – irgendwie waren alle Helden an diesem wunderbaren Bremer Meister-Tag. Allein in der City, auf Domshof und Marktplatz, hatten sich über 50.000 Werder-Fans versammelt, um die Kicker frenetisch zu feiern.

Auch im Rathaus war die Stimmung überbordend. Die MitarbeiterInnen dort hatten sich alle Mühe gegeben, den Boden für eine rauschende Werder-Party zu bereiten. Es gab Baumkuchen und Berliner, die mit Werder-W verziert waren, natürlich feinsten Werder-Meister-Sekt, und allerorten flimmerte ein Trailer vom siegreichen München-Wochenende über TV-Geräte – die Fernseher standen zudem auf Podesten, die liebevoll mit Gras und kleinen Blümchen geschmückt waren. Bürgermeister Henning Scherf (SPD), ohnehin ein Meister der Selbstinszenierung, hatte sich von einer Radio-Bremen-Maskenbildnerin zwei grün-weiße Werder-Rauten auf die Wangen malen lassen, kritzelte Autogramme und hob Kinder in die Luft. Einmal machte Scherf allerdings Pause, um das verdutzt, aber gefasst dreinblickende Werder-Gespann Thomas Schaaf und Klaus Allofs vor laufenden Kameras in die Arme zu schließen. Senatoren wie Hartmut Perschau oder Thomas Röwekamp nahmen sich gegenüber dem Vollprofi Scherf aus wie Statisten einer Vorabendserie – mit Ausnahme der Kulturstaatsrätin Motschmann, die in einem grün-orangenen Kleid durch die Rathaushalle schwebte.

Die Spieler, von denen die meisten ihre übermüdeten Äuglein hinter dunklem Sonnenbrillenglas verborgen hielten, trugen sich ins Goldene Buch der Stadt ein und huschten dann rasch auf den Rathausbalkon zum Feiern. Mit riesigen Pils-Gläsern prosteten die Schaafianer den Fan-Scharen zu – nach der unwesentlichen 2:6-Klatsche gegen Bayer Leverkusen hatte Teamchef Rudi Völler der Mannschaft am Samstag die Meisterschale überreicht. Danach hatte es ein Spielerabendessen im „Andechser“ gegeben, dem Vernehmen nach mit Hochzeitssuppe, Leberkäs, Fleischpflanzerl und grün-weißer Mousse. Dass das Wirtshaus in der Katharinenpassage noch nicht die letzte Station der Spieler in dieser Nacht war, sah man den jungen Leuten noch im Rathaus deutlich an.

Meistertrainer Thomas Schaaf allerdings hatte sich wie eh und je voll im Griff. Jeder Erfolg sei „auf seine Art einzigartig“, analysierte der Trainer. Im Übrigen träume man auch als Trainer davon, „hier in Bremen die Meisterschaft anbieten zu können“, so Schaaf knochentrocken. „Das ist jetzt der Fall.“ M. Jox / E. Bruhn

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