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christoph schultheisWaschmaschinen leben länger

Das Drogerieregal ist kein Ort für sinnfreie Erwägungen. Aber zum Glück gibt es ja Fernsehwerbung

Reden wir mal über was Grundsätzliches, reden wir über Wasserenthärter, Entkalker, Polycarboxylate, ja, reden wir ruhig mal über „Calgon“. Wasserenthärterfreaks zum Beispiel können jetzt spontan an die „Calgon“-Ikone Dieter Bürgy und seinen „Lochfraß“ denken, können „Waschmaschinen leben länger“ vor sich hin summen oder die Sache mit den Waschmaschinenherstellern herbeizitieren: „Von führenden Waschmaschinenherstellern empfohlen“ eben. Oder nicht?

Aber das war einmal. Das mit den „führenden Waschmaschinenherstellern“ steht zwar immer noch auf der „Calgon“-Packung, doch was heißt das schon? Im gegenwärtigen „Calgon“-Spot jedenfalls wendet sich der Waschmaschinenreparateur nach Inaugenscheinnahme einer offenbar vom Lochfraß befallenen Waschmaschine an die verzweifelte Hausfrau und fragt, fast beiläufig, nach deren Wasserenthärter, woraufhin diese kleinlaut gesteht, „einen von den billigen“ benutzt zu haben, was den Reparateur erstaunt: „Wer hat Ihnen denn den empfohlen?“, fragt er. Die Hausfrau: „Niemand.“ Womit wir wieder bei der Empfehlung durch die Waschmaschinenindustrie angekommen wären, denn zu guter Letzt sagt der Waschmaschinenmann: „Nur Calgon wird von diesen Herstellern empfohlen. Billige nicht!“

Und Recht hat er: Wer jemals länger vorm Wasserenthärterregal in der Drogerie gestanden ist, wird wissen, dass sich die dort angebotenen Pappschachteln – außer in Design, Darreichungsform und Preis natürlich – kaum unterscheiden: Polycarboxylate, wohin man schaut. Mehr braucht es schließlich nicht, um Wasser zu enthärten oder -kalken. Aber das Drogerieregal ist kein Ort für derart grundsätzliche Erwägungen. Man muss sich schon, zumindest in Gedanken, in die Firmenzentralen von AEG, Siemens, Bosch und Bauknecht begeben, um dort irgendwann auf irgendwelche Leitzordner mit „Calgon“-Empfehlungsverträgen zu stoßen, die der führende Wasserenthärterfabrikant Reckitt Benckiser mit den führenden Waschmaschinenherstellern geschlossen hat. Und gewiss: Billige (also preiswertere) Wasserenthärter haben so was nicht, weil sowas nun mal nicht billig ist.

Doch mit dem miesen kleinen Hinweis auf die „billige“ Konkurrenz hat „Calgon“ die eigentlich ganz nette, ja nahezu geschäftsschädigend verbraucherfreundliche Geste der Waschmaschinenkonzerne öffentlich und ohne Not als das entlarvt, was sie schon immer war: sinnfreie Suggestion und Deal – woran man, da wir hier ja über Grundsätzliches reden, grundsätzlich gar nicht oft genug erinnert werden kann.

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