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american pieDie Trapeznummer der Lakers

Gerade noch rechtzeitig bringt Coach Phil Jackson seine ungebärdigen Los Angeles Lakers auf Linie und darf auf seinen 10. NBA-Titel hoffen

Ob Phil Jackson nach dieser Saison mit zehn Titeln der erfolgreichste Trainer der NBA-Geschichte sein wird, ist noch offen. Erwiesen ist jetzt immerhin: Er ist ein guter Trainer. Ähnlich wie Pat Riley, Coach des Showtime-Teams der Los Angeles Lakers um Magic Johnson und Kareem Abdul-Jabbar in den 80er-Jahren, wurde auch Jackson immer ein höchst geringer Anteil am Erfolg der von ihm betreuten Teams nachgesagt. Michael Jordans Chicago Bulls, so die allgemeine Auffassung, wären auch mit einem Zirkusclown als Trainer sechsmal Meister geworden, nicht viel anders lauteten die Kommentare zu den drei Titeln der Lakers mit Shaquille O’Neal und Kobe Bryant. Und wenn doch mal jemand Jacksons Triangle-Offense lobte, vergaß er nie, darauf hinzuweisen, dass die ja vom Assistenten Tex Winter stammt.

In der Viertelfinal-Serie gegen die San Antonio Spurs, welche die Lakers nach 0:2-Rückstand noch mit 4:2 gewannen, stellte Phil Jackson jedoch eindrucksvoll seine Fähigkeiten als Coach unter Beweis. Kaum ein anderer versteht es so gut wie der 58-Jährige, bei ungünstigem Verlauf einer Play-off-Serie die Schwächen des Gegners zu analysieren, die eigenen Stärken im jeweiligen Match-up zu identifizieren und die nötigen taktischen Korrekturen vorzunehmen.

Nach dem 0:2-Rückstand jagten sich bereits die Abgesänge auf die Lakers, so chancenlos, verbraucht und zerstritten wirkte das Team. Spurs-Spielmacher Tony Parker sauste durch die Abwehr wie ein jugendlicher Hirtenhund durch eine Schafherde und Tim Duncan punktete immer, wenn es nötig war. Los Angeles hingegen zeigte alle Untugenden, die das Team schon während der Saison geprägt hatten: Eine sehr freie Auslegung von Jacksons Triangle – „mehr ein Trapez“, lästerte Spieler Rick Fox –; der Versuch, schlechte Defensive einfach durch Offensive wettzumachen; die Tendenz, die Anwesenheit von Shaq und Malone schlicht zu vergessen; die ständigen Alleingänge von Kobe Bryant; das Genörgel von Point Guard Gary Payton über seine limitierte Rolle.

Phil Jackson schien an seine Grenzen gestoßen zu sein. Von seinen geliebten Zen-Philosophismen und Meditationen wollte keiner der versammelten Superstars etwas wissen, ebenso wenig von der Triangle-Offense, die besonders Bryant immer wieder offen mit seinen Egotrips sabotierte. Der Vergewaltigungsprozess, der dem eigenbrötlerischen 25-Jährigen bevorsteht, beeinträchtigte zwar nicht seine Klasse auf dem Feld, wohl aber das ohnehin getrübte Verhältnis zu den Kollegen. Dass er regelmäßig gut postierte Mitspieler wie O’Neal oder Malone übersah, machte die Sache nicht besser. Auf Kritik an seinen Solonummern reagierte Bryant unwirsch, einmal nahm er in einem wichtigen Match gegen Sacramento eine Halbzeit lang aus Trotz gar keinen Wurf. Von Teamgeist konnte keine Rede sein in der Mannschaft der Stars, weshalb Rick Fox spöttelte: „Das ist der Grund, warum es ein All-Star-Game nur einmal pro Saison gibt.“

Es bedurfte einer Brandrede von Jackson, zumindest die Professionalität der Spieler zu wecken. Der Coach erinnerte sie vor Spiel drei daran, dass diese Lakers für die Gegenwart spielen müssten, weil es eine Zukunft nicht gibt. Malone (40) und Payton (35) werden gehen, Bryant wahrscheinlich ebenfalls, und auch Jacksons Verbleib ist fraglich. Er liebäugelt mit dem Ruhestand.

Taktisch machte Jackson alles richtig. Das gesamte Team konzentrierte sich darauf, Duncan und Parker in Korbnähe zu stoppen, Shaq hielt sich offensiv zurück und spielte umso stärkere Defense, Gary Payton bekam mehr Freiheit und die erbetene Hilfe gegen Tony Parkers Züge zum Korb. Eine höchst riskante Strategie, weil sie den Spurs viele Distanzwürfe ermöglichte. Der Titelverteidiger traf jedoch nicht, Phil Jacksons Rechnung ging auf.

„Das war das Finale“, war sich Parker nach dem Aus für sein Team sicher, und einiges spricht dafür, dass der Franzose recht hat. Schließlich hieß der Champion der letzten fünf Jahre immer Los Angeles Lakers oder San Antonio Spurs. MATTI LIESKE

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