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Weltweiter Kampf der Marder gegen die Autos

In der Textilwerkstatt die Kleider tauschen, egal, ob das Resultat peinlich oder kreativ sein wird: Jahresausstellung der HfbK präsentiert Restultate von Zeitreisen in ferne Galaxien, Lebensphilosophisches und ausgefeilt städteplanerische Vorschläge für die Gestaltung des Platzes vorm Warschauer Kulturpalast

Vom Tafel- zum Bühnenbild, von Lavalampen zu architektonischen Utopien: Einmal im Jahr präsentiert die Hochschule für bildende Künste ihre Produkte, deren Schöpfer vom Anfänger bis zum Absolventen reichen. Die Besucher der Jahresausstellung des Kreativpools am Lerchenfeld können mit Kinderträumen in einem Fahrstuhl fahren, sich unter scheinbar einstürzenden Raumecken ducken und schauen, wie aus einer Rosshaarmatratze eine Pferdeskulptur zu bauen ist. Sie können kleine Landschaftsmodelle verspeisen, in der Textilwerkstatt die Kleider tauschen, die eigenen per Siebdruck neu bedrucken lassen und die Entscheidung dann in der Lumpenlounge begießen.

Den deutlich drängenden Platzmangel demonstrieren die Grundklassen. Sie können die Breite des möglichen subjektiven Ausdrucks zwischen Peinlichkeit und frischer Kreativität kaum fassen. Überall lauern Überraschungen: Beim Studium der Darstellung des weltweiten Kampfes gegen Autos durch die Gruppe der Marder und marderähnlichen Tiere in der Klasse von Franz-Erhard Walther übersieht man fast den gut getarnt in den Boden eingelassenen Beobachtungsstand von Malte Urbschat. Knochensouvenirs von Zeitreisen in ferne Galaxien sind in der Klasse Pia Stadtbäumer zu sehen, und grundsätzliche Fragen über das Leben werden in ein Glas kochendes Wasser projiziert.

Doch streng wissenschaftlich geht es auch zu: Bei Professor Christiane Sörensen wird die digitale Erfassung aller Hamburger Kunst im öffentlichen Raum präsentiert. Andere Architekten kümmern sich gerne um den Osten, schon deshalb, weil es in Hamburg kaum mehr ein Grundstück gibt, das nicht bereits Gegenstand einer Diplomarbeit war. So zeigt Renata Chomicz eine neue Stadtplanung für den bisher leeren Platz rund um den ungeliebten, gleichwohl vielfältig nutzbaren, weil äußerst geräumigen Kulturpalast in Warschau. Auch das mehrjährig angelegte Projektwerk zur Stadtentwicklung von Cluj Napoca (Klausenburg) in Rumänien wird werbend präsentiert – draußen auf den Treppen weist ein roter rumänischer Dacia darauf hin.

Die Auflösung der Fachbereiche, Teil der teils gewollten, teils aufgezwungenen Veränderungen an der Kunsthochschule, dynamisieren allgemein die Strukturen und Werke. Der Mitbegründer des Ausstellungsraums Taubenstraße, Tjorg Beer, ist gleich in mehreren Klassen anzutreffen, Künstler wie Wlodek Bzowka arbeiten installativ im Wechsel zwischen Malerei und Skulptur. Designer machen freie Kunst und Architekten machen Performances: Für das Haus und die jungen Künstler ist das ein Übergang mit offenem Ausgang.

Und der niederländische Gastdozent Ton Matton lässt schon mal gezielt für drohende soziale und politische Katastrophen üben: Auf dem für die bauliche Erweiterung der Hochschule vorgesehenen Freigelände findet sich Flüchtlingslagerästhetik mit Hauswänden aus Altreifen und eine Notunterkunft aus erdgefüllten Plastiktüten. Eine Installation, symbolhaft für die mögliche künftige Lage der Hamburger Kultur? HAJO SCHIFF

Hochschule für bildende Künste, Lerchenfeld 2; täglich 14–20 Uhr, bis 6. 6. Umfangreiches Programm. Unter anderem zeigt Christian Jankowski seinen neuen Film This I Played Tomorrow am 3.7., 18 Uhr, Raum 120. Weitere Filmprogramme im selben Raum: Fr + Sa 17.30, So, 16 Uhr. Performances und Lesungen: Raum 43, Sa + So, 18 Uhr.

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