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tonspurGedichte mit bö wö tää Uu

Immer wieder erlebe ich es, dass sich Radiohörer ärgern und schimpfen. Weil sie mal wieder eine Sendung verpasst haben. Ist nämlich bei uns in der Branche nicht so einfach wie beim Fernsehen. Deshalb möchte ich Ihnen heute ein zeitloses Dokument schöner Radiokunst an die Röhre, äh, ans Herz legen. Es handelt sich um zwei CDs, für die man allerdings 25 Euro hinlegen muss. Aber glauben Sie mir: Es lohnt sich!

Auf „Alles Lalula – Songs und Poeme“ rockt nämlich das Gedicht. Und zwar so: Fümms bö wö tää zää Uu, pögiff, kwii Ee. Oooooooooooooooooooooooooooooooo. Nein, das ist nicht das Ergebnis eines Computer-Virus, der den Brief an den Steuerberater zerwürfelt hat. Sondern der Beginn der „Sonate in Urlauten“ von Kurt Schwitters. Auf dem Papier eine Buchstabensuppe ohne Sinn, auch der Vortrag des Verfassers haucht dem Ganzen nicht unbedingt Bedeutung ein. Doch ein außergewöhnliches Hörerlebnis ist es schon, wenn Schwitters selbst seine Ursonate gurgelt, zwitschert, brüllt.

Ein Highlight auf der Doppel-CD, die vom Bayerischen Rundfunk und dem Lido Verlag produziert und gerade erschienen ist. Lauter Lautgedichte! Sehr praktisch, dass das auf Tonträger erscheint, denn Konkrete Poesie ist keine Gattung, die nur gelesen werden will. Im Gegenteil: Erst durch die Rezitation entfaltet sie ihre Wirkung – gesprochen, gesungen, geflüstert, gequakt, gebrummt, geflötet, geraunt, geschrieen, geschwiegen. Die Vortragsweisen sind genauso vielfältig wie die Texte und Songs. Originalaufnahmen dieser Grenzfälle der Poesie haben Wolfgang Hörner und Herbert Kapfer zusammengetragen. Die CDs – die nach dem Lautgedicht „Das große Lalula“ von Christian Morgenstern benannt sind – bestehen aus lautpoetischen Meisterwerken von 1920 bis 1978. Da ist Karl Valentin in einer alten Schellack-Aufnahme, wie er singt und selbst dazu lacht. Oder Ernst Jandls radiophoner Text „auf dem land“, in dem er sehr schön Schweine, Hühner und Gänse nachahmt. Und bei all diesen oinks, mähs, pffrs und kawumms spürt man, dass die Sprache des Menschen nicht immer inhaltsschwer sein muss, um zu gefallen und zu beeindrucken.

Die nächsten beiden Folgen dieses Gedichteinfernos sind zur Zeit in Vorbereitung. Sie werden im September im BR gesendet, bevor sie auch auf CD erscheinen. Bis dahin bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich mit Kurt Schwitters & Co. die Zeit zu vertreiben. Fümmes bö wö täää? VERÖNÄ VÖN BLÄÜPÜNKT

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